Vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse an den Finanzmärkten und den Diskusssionen um die langfristige Wirtschaftlichkeit von Skigebieten, stellt sich mir die Frage, ob sich hier der nächste "Bubble" aufbläst, der irgendwann einmal platzen könnte.
Die Veränderungen, die der Skisport in den letzten 10 – 15 Jahren genommen hat sind in der Tat eklatant und werden in diesem Forum reichlich diskutiert:
1. Pisten: Entschärfung der Pisten durch Remodellierung, perfekte Präparierung.
2. Liftanlagen: Bequeme KSB´s (teilweise mit „Bubbles“, gelegentlich sogar Beheizung der Sitzpolster!) und EUB´s mit hoher Beförderungkapazität.
3. Carving: Neuerungen bei der Ausrüstung und Skitechnik. Die Carving-Technik erlaubt es selbst Anfängern schon nach kurzer Lernzeit einen Geschwindigkeitsrausch mit geringem Kraftaufwand und moderater Skitechnik zu erfahren.
4. „Ballermannisierung“: Auf glatt gebügelten Pisten geht es dann hinab, und die Apres-Ski-Hütte wartet schon am Pistenrand. Es gibt viele Skifahrer, und einige Skigebiete, bei denen der Apres-Ski-Betrieb eh im Mittelpunkt des Skiurlaubs steht.
(Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Kombination aus Apres-Ski mit übermäßigen Alkohol-Genuss, einfachen Tempo-Pistenautobahnen, scheinbar anspruchsloser Carving-Technik, bei vielen Gästen für ein böses Erwachen im Krankenhaus sorgt, siehe:
http://www.sommerschi.com/forum/viewtopic.php?t=1007).
Hinter all diesen Veränderungen steckt offensichtlich der Gedanke der Skigebietsbetreiber und Equipment-Hersteller, dass man es den Skitouristen so einfach wie möglich machen will, den Einstieg in den Skisport zu finden und es Ihnen so bequem wie möglich machen will, diesen Sport auszuüben. Deshalb kann man m.E. auf einen gemeinsamen Nenner bringen: Der „Verbequemlichung“ des Skisports, um möglichst viele Gäste anzulocken. (An dieser Stelle muss auch Krisu´s hervorragender Beitrag zu den ökonomischen Veränderungen zitiert werden:
http://www.sommerschi.com/forum/viewtopic.php?t=1007&postdays=0&postorder=asc&&start=15)
Die oben angeführten Punkte 1 und 2 erfordern seitens der Skigebietsbetreiber und Gemeinden/Provinzen allerdings hohe Investitionen und im Vergleich zu früher wesentlich höhere Betriebskosten.
(3303 stellt in einer sehr gelungenen Analyse, Kosten und Nutzen der teuren Modernisierungen von Skigebieten in Zusammenhang:
http://www.sommerschi.com/forum/viewtopic.php?t=1406).
Diese Kosten werden wahrscheinlich nur z.T. über die höheren Skipasspreise wieder hereingeholt. Bei der Amortisierung helfen sicherlich auch die größeren Einnahmen aus Punkt 4, dem nicht ganz billigem Apres-Ski-Vergnügen. Den meisten Investitionen geht aber sicherlich der Grundgedanke voraus, die hohen Kosten vor allem durch gestiegene Gästezahlen zu kompensieren.
In diesem Zusammenhang wäre es sicherlich interessant, statisches Material über die Anzahl der insgesamt gezählten Skitage im Laufe einer ganzen Saison im Alpenraum zu erheben, und diese Daten mit den Verhältnissen früher zu vergleichen. Aber auch ohne diese Daten glaube ich, dass wir heute in den Skigebieten nicht wesentlich höhere Gästezahlen zu verzeichnen haben, als in den 70er und 80er Jahren. Wenn das aber so ist, könnte es nicht einfach sein, dass es sich bei diesen enormen Investitionen um nichts anderes handelt, als Kapital, das vorhanden ist und angelegt werden will. Diese Geschäftsmodelle, bei denen Investitionen nicht nach ihrem wirklichen ökonomischen Wert beurteilt werden, können über viele Jahre gut funktionieren, solange niemand oder nur wenige den wahren Nutzen hinterfragen. Bei der Internet-Blase war das so, in der aktuellen Finanzmarktkrise auch.
Bleiben nämlich die in den Geschäftsplänen vorgesehenen gestiegenen Gästezahlen aus, und zwar langfristig, kommt es zwangsläufig zu einem Platzen von „Bubbles“. Dann gibt es nur noch zwei Möglichkeiten: Konkurs der Betreibergesellschaften oder Finanzspritzen der öffentlichen Hand.
Und es gibt erste Indikatoren, dass die ersten Blasen bald platzen könnten: So hat die Betreibergesellschaft „Spluga Domani“, natürlich auch mithilfe von öffentlichen Geldern der Provinz bzw. Region, in den letzten 10 Jahren erhebliche Investitionen in das Skigebiet Madesimo getätigt. Leider haben sich in diesem Zeitraum die Gästezahlen dort nicht in dem gewünschten Maße erhöht. Madesimo wird früher wie heute überwiegend von Wochenend-Skifahgeren aus dem Raum Mailand genutzt, unter der Woche fahren die modernen Anlagen meistens leer. Konsequenz: Die Betreibergesellschaft ist einstweilen verstärkt finanziell von der Unterstützung durch die öffentliche Hand angewiesen. Abgesehen von der wirtschaftlichen Sicht ist es dabei auch um die Skiregion schade, denn die Investitionen dienten einzig dem Zweck das Gebiet an den „Mainstream“ anzupassen. Für einen Bruchteil der Kosten hätte man indes Madesimo in ein Spezial-Resort für Freerider und Naturliebhaber verwandeln können, etwa durch Neubau einer PB auf den Pizzo Stella. (Interessant ist, dass Madesimo in den Siebzigern und Achtzigern auf dem Weg war, in Punkto Bekanntheit und Glamour dabei war, zu Cortina d´Ampezzo oder Madonna di Campiglio aufzuschließen, auch international, denn viele Gäste kamen vor allem aus England.)
Einen Vorteil den Madesimo aber trotzdem noch hat, ist die lokale Verwurzelung. Die treuen Gäste aus der regionalen Umgebung fahren früher wie heute gerne dorthin, und sie haben sicherlich gute Gründe dafür. Anderen Skigebieten fehlt diese regionale Verwurzelung hingegen, was in Zeiten einer Krise schlimme Konsequenzen haben könnte. In einer Diskussion, die ich im Frühjahr mit Skigebietsbetreibern, Skilehrern und Hotelliers in Südtirol (ja, Südtirol, richtig gelesen
hatte, wurde Enttäuschung darüber ausgedrückt, dass es ganz offensichtlich die junge, einheimische Generation nicht mehr zum Skisport zieht. Skifahren würde von den Kids in steigendem Maße als zu langweilig, bequem, nicht „Trendy“ und „Challenging“ genug empfunden. Allenfalls Snowboarden (auch diese Welle befindet sich derzeit im Abebben!) und Freestyle würden noch als halbwegs interessant gefunden, ältere Jahrgänge würden sich verstärkt dem Tourengehen zuwenden. Zum Unglück für die Skigebietsbetreiber ist mit Freestylern und Tourengehern kein großes Geld zu verdienen, denn sie benötigen ja nur einen schicken Park bzw. Tourenausrüstung. In dieser Diskussion wurde zunehmend der Sorge Ausdruck verliehen, dass sich die Situation verschlimmern könnte, wenn die heranwachsende Generation erwachsen und in der Lage sein wird, beim Ski fahren Geld auszugeben.
Wenn dieser Generation der Bezug zum Skisport abhanden kommen sollte, aufgrund des Fehlens von prägenden Erfahrungen aus Kindheit und Jugend, besteht die Gefahr, dass der Skisport seine Wurzeln verlieren wird. Die Konsequenzen daraus für die Zukunft vieler Skigebiete sind nicht auch nur im Ansatz zu erahnen.