Wahrscheinlich der Bericht, der bisher am längsten gedauert hat. Aber weil bald wieder Sommer ist, habe ich beschlossen, das muss jetzt raus
Bilder: Captain Retro und k2k
Mehr Bilder von der KMH-Bahn übrigens unter https://www.funitel.de/archives/516Sommer 2010. Wieder einmal ein Sommer, der diesen Namen nicht wirklich verdient, zu nass und zu kalt. Da ich mich aber ohnehin seit Wochen hinter dem Schreibtisch verbarrikadiert habe, stört mich das Wetter noch weniger als sonst. Im Gegenteil, ich erfreue mich wie so oft an jeder einzelnen Kaltfront, die den Gletschern Neuschnee bringt, auch wenn ich davon nichts habe.
Irgendwann Anfang August meldet sich trinc, der die guten Bedingungen spontan ausnutzen will, doch ich muss wieder einmal absagen, weil ich keine Zeit habe. Erst gegen Mitte des Monats bin ich flexibel. Wir beschließen, die Sache im Auge zu behalten.
Zwei Wochen später werden die Planungen konkret. Weil die österreichischen Gletscher bis auf Hintertux um diese Jahreszeit nicht mehr viel zu bieten haben, Tignes und Les Deux Alpes für einen Kurztrip zu weit sind und trinc eben erst mit starli am Stelvio war, wollen wir uns in Richtung Schweiz orientieren, was mir die Gelegenheit gibt, zwei skifahrerische Bildungslücken endlich wenigstens teilweise zu schließen, denn weder Zermatt noch Saas-Fee konnte ich bisher einen Besuch abstatten.
Fehlt nur noch der dritte Mann, ein alter Bekannter, ohne den derartige Aktionen immer nur halb so viel Spaß machen. Er hat Zeit, will ohnehin sonntags in die Ferien fahren und kann uns davor für zwei Tage begleiten. Und so ist nach mehr als fünf Jahren die legendäre Guglielmina-Crew wieder vereint.
Am ersten sonnigen und warmen Sommertag seit längerer Zeit stehe ich im Keller und wachse die Skier, suche die Handschuhe aus dem Schrank und packe sicherheitshalber eine Skihose ein. Am Abend hole ich trinc in Stuttgart-Vaihingen am Bahnhof ab und wir machen uns auf den Weg nach Süden. Die Strecke über Schaffhausen nach Zürich und weiter in Richtung Gotthard meistern wir wesentlich besser als zuletzt auf dem Weg zum Rifugio 3A. Aber ich habe mich diesmal auch mit Hilfe von Google Maps ausführlich vorbereitet und festgestellt, dass die Autobahn in diese Richtung inzwischen ausgebaut wurde. Gegen Mitternacht erreichen wir den Ortseingang unseres ersten Ziels, wo uns der mysteriöse dritte Mann schon erwartet. Er wird uns freundlicherweise für die Nacht bei sich aufnehmen.
Die Nacht ist kurz, um halb sieben am nächsten Morgen wollen wir durch den Furkatunnel gen Wallis vordringen und die Gletscherwelt von Saas-Fee erobern.
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Gesagt, getan. Bei leichter Bewölkung schweben wir mit dem Alpinexpress gen Felskinn und zuckeln weiter mit der Metro Alpin vom Sommer in den Winter. Die Bedingungen sind perfekt, der Gletscher ist flächendeckend von firnigem Sommerschnee bedeckt, oberhalb 3000 m ist kein Blankeis sichtbar weit und breit. Dazu darf ich als Erstbesucher feststellen, dass die Gletscherhänge an den oberen Allalinliften erstaunlich steil sind.
Am Nachmittag statten wir den ersatzgefährdeten Bahnen zum Spielboden und zur Längfluh - beides klassische Von Roll-Anlagen aus den 70er-Jahren - einen Besuch ab.
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Für die Nacht finden wir nach einigen Versuchen in Mattsand ein gutes und erstaunlich günstiges Quartier.
Am nächsten Morgen ruft Zermatt. Bei der Talstation des Matterhornexpress treffen wir Theo, der uns an diesem Tag begleiten wird. Während der Bergfahrt zum Trockenen Steg kann ich nun endlich die übliche Postkartenansicht des Matterhorns auch einmal in Natura bewundern. Noch interessanter finde ich allerdings den Blick nach Osten, wo im Gegenlicht der Morgensonne die Gletschergipfel des Monte Rosa erstrahlen.
Dann fliegen wir mit der Pendelbahn hinauf aufs Kleinmatterhorn und ich atme erstmals die dünne Höhenluft auf 3800 m. Nach dem Bestaunen der Bahn und des Panoramas deponieren wir die Rucksäcke in der Antriebsstation des Plateau-Breithorn-Lifts, schnallen die Skier an und fahren hinunter zur Testa Grigia, um unser Nachtlager zu reservieren. Danach geht es endgültig auf die Piste.
Es ist voll im Zermatter Gletscherskigebiet, die Mehrzahl der Pisten ist für den Trainingsbetrieb gesperrt und auch in den öffentlichen Bereichen sind jede Menge Möchtegern-Rennfahrer unterwegs. Nur oben am Grenzlift ist es ruhig, wenn auch die dortige Abfahrt offiziell gesperrt ist. Aber wir sind nicht zum Kilometerfressen hier, und oben am Gobba di Rollin, wo das Panorama am schönsten ist, ist kein Mensch. Gegen 12 Uhr, rund eine Stunde vor Ende des Liftbetriebs, werden die Trainingspisten außerdem geräumt, so dass noch einige schnelle Runden auf freien Pisten möglich sind.
Am Nachmittag steht die ausführliche Besichtigung der Kleinmatterhornbahn auf dem Programm.
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Mit einer der letzten Fahrten geht es gegen halb vier wieder hinauf zum Kleinmatterhorn. Doch eine Abfahrt zur Testa Grigia ist unmöglich, da im Skigebiet mehrere Pistenraupen mit Seilwinde unterwegs sind. Rund eine Stunde sitzen wir vor dem Ausgang, warten und genießen das Panorama und das Spiel der Wolken, während die letzten Besucher zur Talfahrt aufgerufen werden. Dann schließen sich hinter uns die Türen und wir sind allein.
Schließlich sind die Pisten fertig präpariert und wir können samt Gepäck durch das verlassene Skigebiet auf einem perfekten Teppich ins Tal (3480 m) gleiten.
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Wie es Tradition ist auf solchen Unternehmungen, muss nach dem Abendessen noch eine kleine Nachtwanderung stattfinden. Trinc und ich haben die Felle dabei, der dritte Mann will die Skier schultern und uns zu Fuß folgen. Tatsächlich folgen wir ihm, weil vor allem ich auf dieser Höhe schnell an meine konditionellen Grenzen stosse und immer wieder anhalte um den Augenblick im Bild festzuhalten. So kapituliere ich auf ca. 3700 m und lasse meine Begleiter alleine in Richtung Grenzlift davonziehen.
Am nächsten Morgen begutachten wir noch die alten Stationsbauten auf Testa Grigia. Später drehen wir noch einige Runden im Skigebiet und statten noch einmal dem höchsten per Skilift erreichbaren Punkt in den Alpen einen Besuch ab, bevor wir ins Tal fahren und uns auf den Heimweg machen.