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Nordwandschatten - Wilder Kaiser, 13.-14. Juli 2007
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Autor:  helmut [ So, 15.07.2007, 11:07 ]
Betreff des Beitrags:  Nordwandschatten - Wilder Kaiser, 13.-14. Juli 2007

Nordwandschatten

Angekündigte Hitzewellen haben zumindest einen Vorteil: man kann sich drauf einstellen.
Nach all den Hochtouren in Schnee und Eis mit ihrer konditionsfordernden Eintönigkeit war wieder mal „Action“ angesagt, d.h. diesmal ging es wieder in die Steine …

Auf Einladung eines Kletterpartners hatte ich Freitag und Samstag, die Möglichkeit zu einem Kurzbesuch nach Kufstein. Manfred hatte mir schon seit langem von den Klettermöglichkeiten im Wilden Kaiser vorgeschwärmt. Umso größer dann meine Vorfreude bei der Anreise (diesmal wieder mit Zug …) am Freitag Abend.

Samstag Früh ging es dann zunächst mit dem alten ESL über 2 Sektionen von Kufstein rauf zum Brentenjoch (ca. 1280m). Von dort auf bequemen Weg dann zur in sehr schönem Almgelände gelegenen Kaindlhütte (1293m) bei der Steindlalm. Auf den Almhängen gab es hier früher auch einige SL, die allerdings mittlerweile abgebaut sind.

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Blick zu den Nordabstürzen des Scheffauer (2111m) und dem ehemaligen Skigelände im Almgebiet
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Unser Ziel war die Plattenzone am unteren Rand der Scheffauer Nordwand, wo seit den 1980ern einige alpine Sportkletterrouten eingerichtet sind. Diese führen über eine ca. 150 m hohe Plattenzone zum Austieg, wo über annähernd waagrechte Bänder, der Widauer Klettersteig vorbeiführt. Unser Ziel war die „Via Gabriella“ (V+, 4-5 Seillängen).
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Von der Kaindlhütte ging es dann – endlich im Schatten des steilen Walds – aufwärts bis unter den Schutthalden („Grosser Friedhof“) der Nordwand des Scheffauer (2111m). Beim Adjustieren der Ausrüstung konnten wir dann gleich mal eine Bayerische Seilschaft beobachten, die die gleiche Route wie wir gewählt hatte.

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Der Verlauf der Route „Via Gabriella“:
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Die SL in Überblick:

SL 1: Die ersten Meter III, dann IV/IV+ bis zum ersten Stand

SL2: IV+ und am Ende eine etwas ungute Querung (hier kann der Nachsteiger bei Sturz etwas pendeln) zum 2. Stand

SL3: IV+ zur Schlüsselstelle (V+), einem schönen Überhang, der zu einer Wasserrillenplatte (V-) führt. Über diese zum Stand

SL4: IV- über schöne Platten zu einem Riss (hier auch Stand, falls man in 5 SL gehen will). Dann den Riss entlang (leicht schottrig) III bis zum kurzen, schofrigen Ausstieg (schottrig) direkt am Klettersteig (eigener Ringhaken neben den KS-Sicherungen).

Die Route ist gut abgesichert. Gebohrte Standhaken, ZS grossteils gebohrt, zusätzlich einige SU (unten) und NH. Abstände sind aber doch deutlich grösser als im Klettergarten.

Der Fels ist sehr rauh und kompakt. Schöne Plattenkletterei. Abstieg über Widauer Klettersteig.


Im Nachhinein schreibt sich das natürlich sehr einfach. In Wirklichkeit bin ich gleich mal mit Bauchkribbeln eingestiegen. Da ich die erste SL führte hatte ich zwar keinen Rucksack mit (einen ließen wir zurück und den zweiten mit der Trinkflasche hatte immer der jeweilige Nachsteiger), dafür aber so viel Sicherungszeug (Expressschlingen, Friends, wie immer genug HMS-Karabiner für wahrscheinlich 3 Seilschaften etc.), dass mir fast der Hüftgurt runtergerutscht wäre (verdammt, ich fürchte ich hab während der Hochtouren etwas abgenommen …).

Zum Glück fing es leicht an. Trotzdem hab ich jede Zwischensicherungsmöglichkeit genutzt und unnötigerweise auch alle Sanduhren gefädelt. Das führte dann nach ca. 20m – als es dann schwieriger wurde – zu einem enormen Seilzug nach unten … Letztlich klappte es aber dann doch einigermaßen souverän … d.h. ohne angstbedingter Hormonschübe.

Manfred stieg dann die 2. SL vor. Dabei traf er dann auf die abseilenden Bayern. Sehen konnte ich ihn und die Bayern von meinem Stand aus nicht mehr, da ein kleiner Überhang dazwischen war. Plötzlich hörte ich irgendein Wort mit „St…“. Im ersten Moment freute ich mich, da ich es für das Kommando „Stand“ von Manfred hielt. Einen Augenblick später wurde mir bewusst, dass es eher nach „Stein“ geklungen hatte und schon hörte ich ein raketenartiges Zischen, das deutlich lauter wurde … Nun kam also dann der erste angstbedingte Hormonschub und ich presste meinen Körper gegen den Fels und versuchte irgendwie zur Gänze unter meinen Steinschlaghelm zu kriechen …Ziemlich laut zischend flog der Stein dann hinter meinen Rücken nach unten, wo ich ihn dann Sekunden später auf der Schutthalde aufprallen hörte. „Puhhh … Steinschlag ist wirklich ein Alpinerlebnis, das ich nicht allzu häufig haben will“, dachte ich mir.

Kurz darauf kam dann Manfreds Kommando „Stand“ und ich konnte die 2. SL nachsteigen. In schöner Genusskletterei ging es los. Da alles hier noch im Schatten lag, war auch die Temperatur sehr angenehm. Plötzlich hörte ich lautes Poltern und ca. 100m links von mir in einer Rinne kam eine regelrechte Steinschlaglawine runter (ausgelöst ganz offensichtlich von unvorsichtigen Begehern des Widauer-Klettersteigs). Das war für mich (bzw. uns) zwar nicht gefährlich und ein eindrucksvolles Schauspiel, trotzdem aber nicht wirklich das, was ich in dem Moment grad gebraucht hätte.

Langsam kam ich näher zum Stand. Dort standen Manfred und einer der abseilenden Bayern und plauderten zwanglos. Als local schilderte Manfred grad eine der zahllosen Klettertouren in diesem Bereich. Hoffend, dass er sich durch diese Schilderungen nicht von seinen Sicherungsaufgaben ablenken ließ, schlich ich dann also über die Platten weiter Richtung Manfred, wobei das letzte Stück in einer unguten Querung auf gleich Höhe bestand. Im Falle eines Sturzes würde ich nun ganz schön pendeln. Aber alles ging gut – das Gelände war eigentlich nicht wirklich schwer. Plattenkletterei ist allerdings eine fragile Angelegenheit und verlangt viel Vertrauen auf die Füße …

Auch die dritte Seillänge stieg dann wieder Manfred vor – das war so ausgemacht, da sich hier die Schlüsselstelle in Form eines deutlichen Überhangs befindet. So konnte ich von unten schon mal die Lösungsmöglichkeit dieser Stelle studieren. Allerdings blieb dann Manfred ziemlich lange an der Stelle stecken und konnte sich „ewig“ nicht entscheiden, welche Fußplatzierung er für die Schlüsselstelle wählen sollte. Das machte mich dann für meinen eigenen Versuch etwas nervös …

Endlich kam dann das Kommando „Stand“ und ich war wieder dran. Bei der Schlüsselstelle angekommen, merkte ich dann, dass der Überhang tatsächlich arg abdrängte, aber ich konnte mich doch gut positionieren und war dann – mit einiger Kraftaufwendung – rasch drüber. Im Nachstieg fällt eben das moralische Problem weg (d.h. die Angst vor Sturz). Allerdings stellte sich die nachfolgende Wasserrillenplatte als knifflig dar. Die ersten Meter gab es keine echten Griffe und Tritte, sondern nur Druck und Gegendruck mit den Füssen an den Seiten der Wasserrillen (das ist natürlich alles relativ zu sehen, echte Kletter-Cracks würden das natürlich wiederum ganz anders beschreiben, wahrscheinlich als ambitioniertes Gehgelände oder so …).

Die letzte Seillänge stieg dann wieder ich vor. Und das war dann – zumindest auf den ersten Metern – tatsächlich Genuss pur. Einfach (einigermaßen) entspanntes Hochschleichen über schönen, rauen Platten.

Blick zurück über die schönen Platten zu Manfred am Stand
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Während der ganzen Kletterei gab es herrliche Blicke runter ins Inntal Richtung Deutschland
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Über leichtes Gelände ging es dann weiter zum Ausstieg beim Widauer Klettersteig. Die Anspannung ließ nun nach und die Vorfreude auf kühle Getränke in der Kaindlhütte gewann Oberhand.
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Als wir am Nachmittag wieder unten in Kufstein ankamen zeigte das digitale Thermometer im Zentrum 33 Grad an. Wir waren uns einig, dass die Tour im Schatten der Nordwand gerade richtig für die derzeitige Hitzeperiode war.

Autor:  baeckerbursch [ So, 15.07.2007, 12:03 ]
Betreff des Beitrags: 

Schöner Bericht, schöne Tour.

Ich finde daß V+ im Alpinen bereich (für mich) schon gar nicht ohne ist. Wenn dann noch die Sicherung nicht so toll ist würde ich so manche Sachen nicht vorsteigen....


Vg
Franz

Autor:  CV [ So, 15.07.2007, 17:07 ]
Betreff des Beitrags: 

wow, toller Fels! Also mit meinen Künsten könnte ich V nur nachsteigen... wenn überhaupt! Hab das schon jahrelang nicht mehr gemacht.

Respekt!

Autor:  Chasseral [ Mi, 25.07.2007, 10:47 ]
Betreff des Beitrags: 

Oh! Eben wirds aber arg!

Das ist so'n Krempel, der mir überhaupt nicht liegt. Zum Klettern bevorzuge ich Eis³: Eis, Eisen und Eisgeräte.

Ich hasse es schon, meine Füsse in die kleinen Kletterschuhe zu zwängen. Ihr seid doch mit Kletterschuhen geklettert? Oder mit Bergschuhen?

Autor:  helmut [ Mi, 25.07.2007, 17:19 ]
Betreff des Beitrags: 

Chasseral hat geschrieben:
Oh! Eben wirds aber arg!

Das ist so'n Krempel, der mir überhaupt nicht liegt. Zum Klettern bevorzuge ich Eis³: Eis, Eisen und Eisgeräte.

Ich hasse es schon, meine Füsse in die kleinen Kletterschuhe zu zwängen. Ihr seid doch mit Kletterschuhen geklettert? Oder mit Bergschuhen?


Ja, wir sind natürlich mit Kletterschuhen geklettert. Grad in den Platten, wo man ja auf Reibung geht, wären Bergschuhe das letzte was ich an den Füssen haben wollte. Leichte Schuhe (turnschuhähnliche Dinger, halt mit etwas Profil) hatten wir auch für den Zu- bzw. Abstieg.

Ich freu mich auch schon wieder auf das Eis. Hoffentlich ist diesmal der November und der darauffolgende Winter kälter als der letzte ...

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