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Grossglockner - Stüdlgrat (22. 6. 2008) ./reportagen-f8/grossglockner-stuedlgrat-22-6-2008--t1244.html |
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Autor: | helmut [ Mo, 23.06.2008, 23:50 ] |
Betreff des Beitrags: | Grossglockner - Stüdlgrat (22. 6. 2008) |
Grossglockner-Stuedlgrat – 22. Juni 2008 Nachdem es Anfang Juli im vorigen Jahr aufgrund des Neuschnees nicht mit dem Stuedlgrat – den wohl bekanntesten Gratanstieg am Grossglockner – geklappt hat (Klick), unternahmen wir voriges Wochenende einen zweiten Anlauf. Der Wetterbericht war vielversprechend – sommerliches Schönwetter mit nur ganz geringer Gewittergefahr am Abend – und die Verhältnisse im Grat wirkten auch ganz passabel. Am Samstag Nachmittag stiegen wir vom Lucknerhaus (Endpunkt der Kalser Glocknerstrasse) zur Stüdlhütte (2802m). Die Stüdlhütte (Mitte der 1990er Jahre „renoviert“, d.h. gänzlich neu gebaut) ist – trotz oftmaliger Überfüllung – ein sehr angenehmer Ausgangspunkt. Ein kompetentes Team sorgt – nicht zuletzt mit hervorragendem Essen – für eine gute Stimmung bei den zahlreichen, mehr oder weniger angespannten Glockner-Aspiranten. Nach kurzer Rast schlenderten wir vor dem Abendessen noch auf die Blaue Wand (2940m) direkt südlich der Stüdlhütte, von wo aus sich recht schöne Ausblicke ergeben. Unter anderem runter auf die Hütte … und zum Gletscherbruch des Teischnitzkees Den Abend verbrachten wir dann mit Passivsport indem wir das EM-Viertelfinale Holland-Russland auf Leinwand verfolgten. Immerhin konnten wir uns damit etwas von den nagenden Ungewissheiten, was uns morgen erwarten würde ablenken. Der Stüdlgrat ist mit einem Schwierigkeitsgrad von AD (französisch-schweizerische Hochtourenbewertung, UIAA bis III+, auf Infotal in der Hütte wohl aus Abschreckungsgründen bis IV-)) nicht mehr ganz leicht und zudem ziemlich lang (1000 Klettermeter auf 500 Höhenmetern). Eine derart lange Hochtour bei diesem Schwierigkeitsgrad (die Schwierigkeiten sind nicht auf einzelne Stellen beschränkt, sondern relativ gleichmäßig im oberen Teil des Grats verteilt) war für meinen Kletterkumpel Gerhard, wie auch für mich Neuland. Immerhin waren – wie voriges Jahr - Peter und Helga mit, die wesentlich mehr Alpinerfahrung vorweisen können. Allerdings wird das Bild wieder relativiert, dass einige Stellen durch Hanfseile und an zwei Stellen sogar durch klettersteigähnliche Drahtseile entschärft sind. Zudem ist die Absicherung (Bohrhaken etc.) für eine alpine Klettertour sehr gut. Trotzdem überwog bei mir (und wohl auch bei Gerhard) ein etwas flaues Gefühl die Vorfreude. Am Sonntag um 5h45 machten wir uns also auf den beschwerlichen Marsch. Nachdem es mir beim genstrigen Hüttenzustieg konditionell ziemlich mies gegangen war, kam ich gleich relativ gut in Rhythmus und bald erreichten wir das Vorfeld des Teischnitzkees, wo wir uns anseilten und zunächst mal die morgendliche Stimmung genossen. Teischnitzkees mit der Glocknerwand (3721m), dem Teufelshorn (3680m) und dem Grossglockner (3798m) Stüdlgrat (=Südwestgrat des Grossglockner) im Zoom Bald erreichten wir über das flache Teischnitzkees den Einstieg auf ca. 3200m, von wo es zunächst in harmlosen Blockgelände – teilweise sogar auf Steigspuren – recht bequem aufwärts ging. Aus Geschwindigkeitsgründen gingen wir zunächst seilfrei – mit dem unangenehmen Nebeneffekt, dass mein Rucksack noch mal um knapp 3 kg schwerer war. Nach dem gemütlichen Beginn kamen dann bald die ersten echten, aber immer noch einfachen Kletterstellen. Was sich allerdings – neben dem Gewicht des Rucksacks – als hinderlich herausstellte waren die Bergschuhe. Abgesehen von wirklich leichten Sachen (Grossglockner Normalweg, Piz Buin etc.) bin ich schon ewig nicht mehr mit solchen Dingen geklettert. Im Nachhinein wär’s wohl besser gewesen mit dem klobigen Zeugs mal einen Nachmittag in einem Klettergarten zu üben … Kaminartige Rinne im unteren Teil Kurz nach dieser Stelle haben wir uns dann angeseilt Foto: Peter Das Gelände war zwar noch immer nicht schwierig, aber die nun rasch zunehmende Ausgesetztheit führte dann (zumindest bei mir) zu einen gewissen Unwohlsein beim seilfreien Steigen. Am laufenden Seil (d.h. beide Seilschaftspartner gehen gleichzeitig, das Seil wird aber in allfällig vorhandene Zwischensicherungen eingehängt) gingen wir dann also weiter. Zunächst führt die Route vor allem in der Westseite (=Schattseite) des Grates. Dementsprechend gab es hier noch einiges an Schnee zwischen den Felsen, zum Glück jedoch nicht genug, um die Steigeisen anschnallen zu müssen. Peter und Helga waren deutlich schneller als wir und so waren wir bald allein. Orientierungsprobleme gab es aber im Wesentlichen nicht. Spuren im Schnee bzw. ab und an in erdigen Felsabsätzen sowie gelegentliche Sicherungsstangen und Bohrhaken zeigten immer „rechtzeitig“ den Weiterweg ab. Obgleich es manchmal zunächst so aussah, als gäbe es kein einfaches Weiterkommen (insbesondere die vielen Grattürme können einem da Streiche spielen), eröffnete sich zumindest beim zweiten Blick immer die Fortsetzung. Kurz nach 9h00 erreichten wir dann endlich den so genannten Frühstücksplatz (3550m), wo Peter und Helga – bereits vor Kälte etwas zitternd – auf uns warteten. Hier beginnen die eigentlichen Schwierigkeiten, so dass Gerhard und ich beschlossen ab hier standplatzmässig zu sichern, während Peter und Helga weiter am laufenden Seil gingen. Noch bevor wir losstarten kam eine Solokletterin mit Ski am Rucksack an uns vorbei, was mich insofern beeindruckte als ich mir eine Begehung mit dem zusätzlichen Gewicht von Ski samt Bindung (und natürlich auch dementsprechenden Schuhen) und das auch noch seilfrei für mich beim besten Willen nicht vorstellen könnte. In der Tat war die erste Seillänge nach dem Frühstücksplatz gleich ordentlich Kräfte raubend, so dass ich mehr als froh über die Verschnaufpause beim Nachsichern war. Die Route führte nun mehr oder weniger direkt am Grat entlang, einzelnen Felstürmen rechts oder links durch Querungen umgehend. Die Sicherungen stellten sich überwiegend als psychologisch ausreichend dar und waren vor allem (neben Spuren im häufiger werdenden Schnee) auch hilfreich bei der genauen Routenfindung. Da war relativ langsam waren, verloren wir immer bald den Anschluss an den uns überholenden Seilschaften und so musste ich mir die Route weitgehend selber suchen. Zwischensicherung in Form von Eisenstangen und Bohrhaken Standplatz – auf Redundanz musste verzichtet werden Mit zunehmender Höhe wurde die Aussicht – wie auch die Ausgesetztheit – immer beeindruckender. Blick zur Glocknerwand und Teufelshorn Tiefblick in die Glockner Südwand mit dem von hier aus so flach wirkenden Südwandfirnfleck – darunter das Ködnitzkees Beeindruckend waren auch die (hoch-)alpinen Begebenheiten rundherum. Mit der zunehmenden Tageserwärmung und Sonneneinstrahlung setzte nämlich eine ununterbrochene Begleitmusik in Form von Steinschlag und Nassschneelawinen in den umgebenden Wänden ein. Weiter oben kam dann wieder eine der drahtseilentschärften Seillängen. Persönlich mag ich ja Klettersteige nicht und ursprünglich hätte ich ja durchaus vorgehabt auf die künstlichen Hilfsmittel entlang des Stüdlgrats zu verzichten. Aber letztlich habe ich dann doch auch meist dankbar zugepackt … Drahtseilpassage im oberen Drittel des Stüdlgrats Foto: Peter Langsam kamen wir Seillänge für Seillänge weiter, wobei der Höhengewinn frustrierend schleppend voran ging. Oft ging es über oder an Türme vorbei und am Ende einer Seillänge zählte der Höhenmesser grad mal 5 oder 10 Höhenmeter Gewinn … Gerhard an einem der vielen Grattürmchen Durchgehend atemberaubend blieb die hochalpine Szenerie. Dank des frühen Termins nach einem schneereichen Winter kamen wir sogar in den Genuss eines Minifirngrates mit (subjektiv) messerscharfer Firnschneide wie man ihn aus der Werbung kennt … Minifirngrat in der Felstour Stüdlgrat Kurz nach dem Firngratstück kam dann wieder ein kurzes klettersteigähnliches Stück, d.h, mit Hilfe eine Hanfseils (mit Knoten drin zum besseren Festhalten) konnte man sich über einen Felsblock ziehen und dann ein Drahtseil erreichen an dem es querend weiter entlang ging. Gerhard in der Drahtseilpassage knapp vor Ende des Stüdlgrats Der Gipfel (und das Gipfelkreuz) war nun schon sehr deutlich zu sehen und eigentlich wären die größten Schwierigkeiten nun bereits hinter uns gewesen. Allerdings forderten dann doch noch einige durch Schnee (der entweder eisähnlich hart oder extrem sulzig-weich war und somit keine guten Trittmöglichkeiten bot) heikle Stellen erhöhte Aufmerksamkeit. Schließlich erreichte ich dann ohne Zwischenfälle den Gipfelbereich und konnte nun endlich entspannt Gerhard bis zum einfachen Gelände des Gipfels nachsichern, wobei uns dann doch noch eine Seilschaft, die vorher einige Seillängen hinter uns geklettert war überholte und wir damit endgültig die rote Laterne als Letzte aller Stüdlgrataspiranten des Tages erzielten. Geschafft – Nachsichern der letzten Seillänge des Stüdlgrats Foto: Peter Nebelschwaden verminderten dann leider etwas die Gipfelaussicht und wir begannen mehr oder weniger unverzüglich mit dem Abstieg, der sich aufgrund der herrschenden Verhältnisse (und wohl auch unserer Müdigkeit) als mühsamer als gewohnt darstellte. Praktisch der ganze Weg vom Kleinglockner bis zum Glocknerleitl bestand aus extrem sulzigen Schnee – unterbrochen mit der einen oder anderen Eisfläche. Vorsicht war also angebracht und wir behielten unseren – nun ja schon gewohnten – langsamen Begehungsstil auch im Abstieg bei. Endlich erreichten wir dann das Glocknerleitl, das bei der noch immer tiefen Schneelage einen harmlosen Abstieg zur Adlersruhe bot. Von dort konnten wir dann noch – die Nebelschwaden um den Gipfel hatten sich wieder verzogen – einige schöne Blick auf unsere Route werfen. Stüdlgrat und Grossglockner von der Adlersruhe Der weitere Abstieg ging dann endlich zügig voran. Vom Ködnitzkees unter der Südwand des Grossglockners bot sich noch einmal ein übersichtlicher Anblick des Stüdlgrats … Stüdlgrat vom Ende des Ködnitzkees Foto: Peter … bevor wir dann die steilen Schneefelder unterhalb des Ködnitzkees „abfahren“ konnten und somit noch einmal ein skifahrähnliches Gefühl erleben konnten. Nach insgesamt ca. 14 Stunden erreichten wir dann endlich den Parkplatz beim Lucknerhaus und Montags morgen um 4h00 waren wir wieder zu Hause. Fazit Klassische, lohnende Hochtour auf den höchsten Berg Österreichs, deren Länge – wie von uns auch – gerne unterschätzt wird. Der Stüdlgrat ist neben dem Normalweg die zweithäufigst begangene Route auf den Grossglockner. An den schwierigeren Stellen kann es daher auch hier zu gewissen Staueffekten kommen. Auch bei uns war einiges los, richtige Hochsaison war jedoch offenbar noch nicht. Gedränge hatten wir nicht und beim Abstieg waren wir dann – mit Ausnahme einer entgegen kommenden Zweierseilschaft in der Glocknerscharte – überhaupt allein. |
Autor: | firngleiter [ Di, 24.06.2008, 22:40 ] |
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danke dir für den schönen bericht mit den beeindruckenden bildern. die klettertour an sich ist ja hochalpin! frage: hätte es sinn da oben jetzt auf den firnfeldern im bereich der hütte noch abzufahren? |
Autor: | 3303 [ Di, 24.06.2008, 22:54 ] |
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Sehr sehr beeindruckend. Solche hochalpinen Touren habe ich noch nicht unternommen. Danke für den Bericht. Da sind gleich mehrere Stellen drin (Grattürmchen, Firnschneide am Grat, die sehr stark ausgesetzten Stellen), bei denen ich mir denke, ob das wohl was für mich wäre ;-) Hab übrigens das Gefühl, dass die Probleme, die man mit der Höhe bekommt mit zunehmendem Alter ebenfalls zunehmen. Ich muss mich an das ausgesetzt-sein immer länger gewöhnen, wenn ich mal einige Tage in den Bergen bin. Hatte schon manchmal das Gefühl, bald eine leichte Höhenangst zu bekommen. Früher war mir das ziemlich egal. Vermutlich ist das einfach fehlende Routine. |
Autor: | helmut [ Mi, 25.06.2008, 1:11 ] |
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@firngleiter: Es waren tatsächlich einige mit Kurzski unterwegs (und das Solo-Mädl am Stüdlgrat war sogar mit normalen Tourenski unterwegs). Auf Firnresten kann man sogar noch bis ziemlich weit unter die Hütte abfahren (die Gletscher sind sowieso noch alle schneebedeckt). Also rund um die Stüdlhütte hätt es noch einige interessante Tourenmöglichkeiten gegeben (die Ski und Gepäck könnte man sich sogar - von der Lucknerhütte aus - mit der Materialseilbahn transportieren lassen). Allerdings verschlechtern sich die Bedingungen wohl aufgrund der Hitzewelle nun rapide. Nachtfrost war nur auf den Gletschern - und auch hier nur minimal - zu bemerken. @3303: die zunehmende Ängstlichkeit mit steigendem Alter bemerke ich an mir auch (was immerhin den positiven Nebenaspekt grösserer Vorsicht hat). Höhenangst ist mir persönlich auch nicht fremd. Durch "Routine" bzw. der ständigen Konfrontation mit einschlägigen Situationen kann man das aber zumindest reduzieren. Ist aber natürlich individuell sehr unterschiedlich. |
Autor: | k2k [ Mi, 25.06.2008, 9:27 ] |
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Hut ab, tolle Tour! Zitat: die zunehmende Ängstlichkeit mit steigendem Alter bemerke ich an mir auch
Ich habe an mir auch schon solche Tendenzen erlebt, auch wenn ich noch nicht so alt bin. Fehlende Routine kommt natürlich bei mir auch noch dazu. |
Autor: | pancugolo [ Do, 26.06.2008, 3:50 ] |
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Helmut, wieder mal ein sehr schöner Bericht! Tolle Hochtour! Bzgl. Alter vs. Performance: Merke das mit meinen 45 Jahren auch, v.a. Alkohol-Genuss, oder lange Autofahrten. Natürlich auch bei der Aufstiegskondition. Interessant aber finde ich, dass ich bei wirklich wilden, extremen Varianten in der Abfahrt in den letzten Jahren mutiger werde. Zudem das Gefühl der "Challenge" bei 45 / 55 Grad Hangneigung zunehmend in puren Spaß übergeht. Tja, vielleicht kann man das mit der Wienerischen Lust an der Morbidität erklären. Ich weiss es nicht. |
Autor: | piano [ Do, 03.07.2008, 22:11 ] |
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Komme nun endlich wieder etwas zum Nachlesen. Vielen Dank für diesen tollen Bericht einer genialen Tour. Schöne und eindrückliche hochalpine Bilder! Ich musste gerade vor wenigen Tagen wieder mal das Gebluffe von Zweien hören, die vom Kl.Matterhorn zum Breithorn hinauf sind und nun dachten, sie hätten weiss nicht was geleistet. Wirklich Respekt vor eurer Tour. Schwierigkeit III-IV wäre ja alleine noch nicht so unmenschlich, aber das Ganze dann mit Rucksack, in deftiger Höhe und mit einem längeren Anmarsch in den Beinen... So wie ich es gelesen habe bist du in den Kletterstellen vorausgegangen? Definitiv nichts für schwache Nerven, das habe ich mich in meinem sehr bescheidenen Erfahrungsschatz noch nie getraut. Immerhin weiss ich, was für ein Gefühl es ist, wenn es in ausgesetztem Gelände unter einem 1000 Meter hinunter geht, brauche ich nicht zwingend wieder. |
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