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 Betreff des Beitrags: Re: ::: Carpathia [ -2010- ]
BeitragVerfasst: Fr, 12.03.2010, 14:24 
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RetroRebel
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Irgendwie fand ich das im Nachhinein nicht so cool, den Tag so zurreißen, aber ich bin nicht so schnell vorangekommen wie ich wollte. Trotzdem möchte ich den Bericht lieber als ganze online-stellen, daher hab ich den Mittelteil jetzt wieder rausgenommen, den ich morgens um fünf reingestellt hatte.

Zitat:
Sah ja, was ich bisher fand, recht uninteressant aus, KSB und Modelliert und so...


Jetzt dachte ich erst, Du willst mich verarschen, aber jetzt raff ich das: Du meinst dieses neue Talschigebiet unten? da waren wir gar nicht, das haben wir gleich irgnoriert. Halte ich auch für völlig uninteressant.

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 Betreff des Beitrags: Re: ::: Carpathia [ -2010- ]
BeitragVerfasst: Sa, 13.03.2010, 21:23 
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RetroRebel
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::: Carpathia [ Teil I ]

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Es ist stockfinster. Der Wind pfeift um den Wagen, tausende Schneeflocken wirbeln gegen die Scheibe und verschwinden im Dunkel. Die Räder wühlen sich durch den Schnee, suchen halt, wo das Eis darunter lauert, dreht der Wagen blitzschnell zur Seite, Gegenlenken, die Spur finden. Dichte Wälder, fast ein wenig unheimlich. Plötzlich tauchen im schmalen Lichtkegel der Scheinwerfer ein paar Menschen auf, ein Wagen ist liegen geblieben, steht quer. Sie schieben, können das Gefährt befreien, wir passieren. Schmaler und holpriger wird die Straße, die Schneemauern links und recht lassen nur wenig Raum, türmen sich höher und höher. Die Route ist lange schon auf dem Navigationsgerät ein einsames Band mitten im schwarzen Nichts. Die mitunter steilen Kehren lassen sich oftmals nur mit Anlauf und scharfem Einschlagen bewältigen, das Fahrzeug gleitet um die Kurve, Kris fängt es wieder ein, wieder ein Eisfeld, für eine Sekunde kommt die Schneemauer gefährlich nahe, Volleinschlag in die Gegenrichtung, wir folgen weiter der Straße. Wir fragen uns zusehends, ob wir nicht ein Sperrschild übersehen haben, der Zustand der Route, das Fehlen jeglichen Verkehrs… . Hier und da passieren wir gespenstische Reste verwitterten Betons, Relikte einer vor Jahrzehnten aufgelassenen Bobbahn, deren filigrane Zementstützen die Straße querende Brücken tragen.

Je weiter wir hinauf kommen, desto schwieriger wird die Straße. „Ist es noch weit?“, fragt Kris mit einem nachdenklichen Unterton. Ich versuche unsere Position in dem Nichts auf dem Navigationsgerät auszumachen. Der Wind heult. „Ein paar Kehren noch, dann ein langes gerade Stück, vielleicht einen Kilometer noch, dann sind wir da.“ Hier oben, wo der Wald lichter zu sein scheint, trifft der Sturm uns umso härter. Wild stürmt der Schnee um uns herum, reflektiert gleißend das Fernlicht der Frontstrahler, wenige weiß blendende Meter mitten im finsteren Nichts.

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Schließlich erahnen wir Schemen im dichten Schneegestöber, die Straße wird weiter, ein Parkplatz, die Silhouette eines gigantischen Kolosses aus der sozialistischen Ära: ich beginne zu zweifeln, zu präsent sind noch die Eindrücke des gestrigen Abends. Nur einzelne Autos stehen hier oben, wir parken den Wagen, geisterhaft ist die Stille nun, die nur Raum für das Pfeifen des Windes lässt. Am Eingang empfängt uns ein seltsames Schild…

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Leise gleiten die Glastüren wie von Geisterhand auseinander, kurz heult der Sturm auf als er in die Schleuse fährt, dann öffnen sich die inneren Türen, hinter schließen sich die anderen leise, schirmt das Glas den Sturm ab, wir stehen in einer riesigen Halle aus rotem und weißen Marmor, geschaffen für eine High-Society anderer Zeiten, doch heute völlig leer. Hinter der Theke empfängt uns der Portier mit einem freundlichen Lachen, höflich, fließend in deutsch und englisch: dies ist die Antiwelt des gestrigen abends. Schnell bekommen wir ein Zimmer im obersten Stock, mit bestem Ausblick über das Tal von Sinaia 600m unter uns, wie uns gesagt wird.

Wir durchschreiten große Hallen und marmorne Portale, erklimmen die weiten Treppenfluchten, schließlich finden wir ein modernes, sehr schön renoviertes Zimmer von beachtlicher Größe, mit einem gepflegten und sehr geräumigen Bad, das sogar mit einer Badewanne aufwartet. Es ist seltsam in diesem riesigen prunkvollen Koloss allein zu sein, ich denke an „The Shining“ als ich in einem einsamen Ballsaal einen Flügel entdecke und die Klänge von „les feuilles mortes“ durch die weiten Gänge hallen lasse, die schweren samtenen Vorhänge, die riesigen kristallenen Kronleuchter, sie erwecken die Geister einer anderen Zeit und doch ist nichts von dem verstaubt, vergilbt oder verblasst. Eine Netzanbindung über Funk ist im gesamten Haus kostenfrei, selbst eine Sauna ist im Preis inbegriffen, der pro Nacht 37,50 Euro beträgt: für beide zusammen! 18,75 € pro Person – so günstig habe ich seit zehn Jahren nicht mehr übernachtet. Wir sind fasziniert, die Standards liegen problemlos auf westlichem Oberklasseniveau, auch wenn es hier und da ein paar sehr nette Improvisationen gibt. Das ehemalige Hotel Alpino, heute Cota 1400, ist mit seiner Lage hoch über dem Tal, direkt an der Mittelstation der Seilbahn, ein perfektes Domizil.

Ich schlafe tief und erholsam in dieser Nacht, die Betten sind weit und bequem, erst ein sanft-rotes Glühen erweckt mich aus den Träumen. Der Sturm hat sich über Nacht völlig gelegt, es ist eine stille Morgendämmerung, unser Zimmer weist gen Osten, die Sonne klettert soeben über die Carpathenkämme…

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Im goldenen Morgenlicht thront die Stütze der wundervollen alten Pendelbahn, rot lackiert, wie einst in Italien und heute nur noch auf den vergilbten Seiten alter Skibücher. So völlig anders wirkt das, Technik als Ästhetik, kein schmutziger Stahl in tausendfacher Kopie, Formschönheit und Farbe schaffen Eleganz. Im Tal unten schlummert in den Schatten noch Sinaia, ein mondäner und vitaler Skiort, auf rumänisch eben – aber gerade das macht ihn faszinierend. Während Buşteni gestern, in einem Tal mit wildromantischen Schluchten und dolomitenhaften Felswänden gelegen, durch seine marode Industrie und lieblose Gebäudeinfrakstruktur eher wenig einladend wirkte, ist Sinaia durchaus faszinierend. Eine rumänische High-Society aus Bukarest, die es eigentlich gar nicht hätte geben sollen, muss hier in den 60er und 70er Jahren flaniert sein, auch heute herrscht reges Treiben, der Ort modernisiert sich – und hat doch einen ganz eigenen Charme. So findet man im Schatten gigantesquer sozialistischer Hotelmonolythen – die alles andere als heruntergekommen sind – öffentliche Touchscreenpanels, an denen man Informationen zu allen Unterkünften der Umgebung mit Lageplan und Telephonnummer abrufen kann, inklusive Suchmasken und Detailauswahl. So etwas habe ich in Westeuropa noch nicht gesehen!

Ich trinke im sonnengefluteten Speisesaal ein paar Cappuccino und schreibe ein wenig an diesen Seiten, bis schließlich Kris hinab kommt. Gemeinsam schmunzeln wir über die Speisekarte: in Rumänien und auch Bulgarien ist es üblich, das zu jeder Speise die genaue Grammzahl angegeben wird. Die Auswahl ist reichhaltig (und diesmal auch erhältlich), die Aufschlüsselung aller einzelnen möglichen Komponenten eines Frühstücks inklusiver aller Mueslivarianten aber bizarr bis absurd – vor allem mit den Gewichtsangaben. Die Speisekarte für das Frühstück allein hat sicher zehn Seiten, und alle „Items“ haben dazu ihren eigenen ganz speziellen Preis. So könnte man sicher errechnen, wie man sich am geschicktesten und günstigsten ernähren könnte und was so ein Frühstück dann wöge – nur ist es ohnehin im Zimmerpreis inbegriffen!

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So gestärkt und bester Laune tragen wir schon bald unsere Schi über eine schmale Steintreppe und einen Pfad hinauf zur Mittelstation der Gondelbahn. Dort herrscht bereits reger Betrieb, ich werde fast von einer Pistenraupe umgefahren (das ist mir auch noch nicht passiert!) als ich stehen bleibe und mich ein wenig umsehe.

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Pistenplan von Sinaia: Achtung, nur die schwarzen Linien mit Buchstaben in roten Kästen sind tatsächlich Lifte, alles andere sind schwarze Pisten. Tatsächlich gibt es fast doppelt so viele Anlagen wie im Plan zu sehen, die meisten scheinen aber stillgelegt zu sein.

Das Schigebiet von Sinaia wird in der Hauptachse ganz klassisch von zwei schönen Ceretti & Tanfani Pendelbahnen erschlossen. Die erste Sektion beginnt eingegliedert mitten im Ortszentrum und führt exponiert über die ortsnahen Vorgipfel mit mehreren hohen Stützen auf das balkonartige kleine Plateau, das die Betreiber „Cota 1400“ getauft haben und das auch unser Hotel beherbergt. Vor kurzem ist im unteren Teil noch eine Leitner-Kabinenbahn mit ausgesprochen befremdlich aussehenden pinkfarbenen Gondeln (ich hätte nie gedacht, dass so etwas wirklich mal jemand baut) hinzugekommen, die allerdings deutlich oberhalb des Ortes an einem großen Parkplatz startet.

Oberhalb der Mittelstation führt eine zweite Sektion Pendelbahn auf die Felskante „Cota 2000“, von wo aus sich auch mehrere schwarze Pisten von teilweise sehr respektabler Steilheit in die Flanke stürzen. Fast parallel und etwas weniger exponiert auf dem Grat ankommend findet sich zudem ein kuppelbarer Vierersessellift jüngeren Datums der Marke Poma. Die weiten weitläufigen Hänge auf der Rückseite werden durch einen Doppelsessellift rumänischer Bauart erschlossen, der noch aus den 70er Jahren stammen dürfte und ebenfalls jene genialen leuchtend roten Stützen aufweist. Schließlich findet sich ein halbes Dutzend Schlepplifte dort oben: einer an der Mittelstation, einer auf der steilen Vorderseite des Massivs und mehrere, teils ebenfalls extrem steile Anlagen auf den rückwärtig gelegenen Nebengipfeln. Von all diesen – häufig sehr faszinierend trassierten – Schleppliften ist aber wohl nur noch ein einziger in Betrieb.

Was ein wenig verwunderlich ist, ist dass um diese Zeit – es muss gegen zehn sein – noch keinerlei Schifahrer unterwegs sind. Der ganze Trubel an den Stationen besteht nur aus technischem Personal. Diese Tatsache klärt sich leider nur allzu schnell auf: heute ist Revisionstag! Das ist eine Kuriosität in Rumänien, die einen wahnsinnig machen kann: mindestens einen Tag in der Woche fahren die Anlagen wegen Revision nicht, häufig auch noch am nächsten Vormittag nicht. Somit können wir Schifahren in Sinaia heute abschreiben. Das ist insbesondere deshalb unschön, weil ich mich mit Kris gestern wieder einmal ein wenig um die Sinnhaftigkeit des Autofahrens gestritten habe (das sollte eh noch unser Lieblingsthema werden ;) ), und die Bedingung, dass wir überhaupt zu diesem Hotel heraufgefahren sind – was sich im Nachhinein als absoluter Glücksgriff herausgestellt hat – war, dass wir heute das Auto stehen lassen. Kris schlägt daraufhin vor, mit den Tourenski zu Bergstation der Seilbahn zur gehen, in einem geschlossenen Skigebiet mit Tourenskiern herum zu laufen, ist mir dann allerdings ein bisschen zu blöd. So fliegen meine Gedanken: die Bahn in Buşteni fährt, das haben wir gestern überprüft, wir müssen dort nur irgendwie hinkommen. Ich erinnere mich an meine Reise letzten Sommer: wenn es irgendetwas gab, was in diesen Landen über alle Maßen günstig war, dann Taxifahren!

„Pass auf, wir fahren mit den Skiern hinunter ins Tal. Dort rufen wir ein Taxi und fahren nach Buşteni zu der anderen Pendelbahn, mit der fahren wir rauf und dann gehen wir mit den Tourenski zurück.“. Das ist ein Plan, mit dem wir beide blendend leben können! Wahrscheinlich ist es sogar so ohnehin spannender als einfach nur in Sinaia skizufahren. So passieren wir die Bergstation der neuen Kabinenbahn und suchen den Einstieg in die Piste.

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Rechts an der Bergstation vorbei führt ein schmaler Weg, eine kurze Traverse, dann finden wir die Talabfahrt. Durch lichte Laubwälder hinab, schön trassiert, bei dem wenigen Schnee und den sehr eisigen Verhältnisses aber tückisch. Der Schneesturm gestern nacht hat leider nur wenig Neuschnee gebracht, der Wind hingegen wohl eher noch das bisschen Altschnee verblasen. Dennoch macht mir die Abfahrt an diesem strahlenden Wintermorgen so richtig Spaß.

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Eine gute Viertelstunde später kommen wir an der Talstation der Kabinenbahn an. In einer neuen Holzhütte befindet sich das kleine Büro einer Skischule, ein Junge von vielleicht neunzehn Jahren arbeitet dort. Ich frage ihn, ob er uns vielleiht ein Taxi rufen könnte. „Kein Problem, wo wollt ihr hin?“. – „Buşteni.“. Der Junge zückt sein Mobiltelephon und wählt die Nummer – die unproblematische Hilfsbereitschaft, auf die wir in Rumänien immer wieder gestoßen sind, fasziniert mich.

Gut zehn Minuten später kommt das Taxi auf dem spiegelglatten Blankeis des Parkplatzes an. Wir verladen – etwas unkonventionell über die Rückbank und die Mittelkonsole nach vorn – die Ski, dann gibt der Fahrer Gas, der Wagen slidet über da Eis, rollt die steile Straße hinab. Ich frage ihn, was die Fahrt in etwa kosten wird. „Two hundred fifty Lei“. Kurz wundere ich mich, dann sehe ich den Kilometerpreis auf dem Taxameter: 1 Lei pro Kilometer, also 25 Cent. Bei etwa 25 km Fahrtstrecke hatte sich unser Fahrer auf Englisch einfach nur versprochen. Wir plaudern ein bisschen, lassen Sinaia hinter uns und fahren das Tal hinauf, bis wir wenig später in die kleine unscheinbare Straße am Ortsrand von Buşteni einbiegen, die zur Seilbahn führt. Einige wenige Meter noch, dann hält der Wagen auf dem Parkplatz, der Preis stimmt mit der Schätzung des Fahrer beinahe auf den Lei genau überein. Ein Parkplatzwärter kommt, wechselt einige hektische Worte mit dem Fahrer. „Ihr müsst Euch beeilen, die nächste Kabine geht quasi jetzt sofort.“. Es ist Punkt Elf.

In Windeseile laden wir die Ski aus, suchen unser Gepäck zusammen, zahlen das Taxi, bedanken uns nochmals und eilen die Betonstufen hinauf in die große Talstation. Bizarr leer ist es hier, wo große Wartebereiche innen und außen von anderen Besucherzahlen bei der Planung der Anlage zeugen. In einem kleinen Metallverschlag im Obergeschoss befindet sich die Kasse, verwaist. Das dumpfe Vibrieren der Fundamente aus beinahe vierzig Jahre altem Stahlbeton verrät uns warum: auf der andere Seite des Gebäudes gleitet soeben die Kabine in luftigen Höhen über die lichten Wälder in die Schlucht hinaus….

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 Betreff des Beitrags: Re: ::: Carpathia [ -2010- ]
BeitragVerfasst: Sa, 13.03.2010, 21:28 
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::: Carpathia [ Teil II ]

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Ratlos schauen wir uns um. An der Scheibe hängt ein Zettel mit Preisen und Öffnungszeiten. Im Winter fährt die Bahn einmal pro Stunde, die nächste Fahrt findet also um 12.00 Uhr statt. Gut, eine Stunde, das gibt uns Zeit für einen Caffè und eine Inspektion des Umfeldes der Talstation. Wir schauen nach einem Abstellplatz für die Ski. Rechts, hinter einer Glastür, befindet sich der Zugang zu einem abgelegenen Balkon. Die Tür ist abgeschlossen, aber der Schlüssel steckt. Ich schließe auf und siehe da, die Tür öffnet sich. Dennoch sind wir unsicher, ob die Ski dort einfach deponieren sollen, während wir noch überlegen, trifft die Kassiererin ein.

„Die Kabine ist gerade weg, oder?“ - „Ja. Die nächste Fahrt geht um 12.00 Uhr.“ – „Alles klar, danke! Können wir die Ski hier irgendwo lassen?“ – „Ja, das geht. Aber dort oben ist kein Skigebiet. Es gibt keine Pisten, nichts ist markiert.“ Das war früher schon einmal anders: mindestens einen Schlepplift gab es in der Region der Bergstation, zu dem eine – wenn auch möglicherweise inoffizielle – Abfahrt an der zweiten Sektion, die auf der Rückseite wieder hinab in ein extrem abgelegenes Seitental führt. Während auf dieser Seite die Bahn auf 4,3 km Länge fast 1300 Höhenmeter durch eine atemberaubende Schlucht überwinden muss, finden sich auf der Westseite weite flache sonnige Hänge, die an sich ein perfektes Skigelände darstellten. „Ist die zweite Sektion in Betrieb?“ – „Nein, im Winter nie. Nur die Strecke nach Babele.“. Das ist die Berg- und Mittelstation in knapp über 2100m Höhe auf demselben Höhenrücken wie die Bergstationen der Anlagen von Sinaia gelegen. Ich bedaure das, dass die zweite Sektion nicht fährt, im Sommer ist sie wohl immer noch in Betrieb. Sie erschließt den Zugang zu einer besonderen Sehenswürdigkeit: einer altertümlichen Kirche, hineingebaut in eine Höhle. Im Winter wäre sie perfekt gelegen für ein geniales Freerideerlebnis, für die Abfahrt in jenes Tal am Ende der Welt.

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Photo by Phaeton, http://www.panoramio.com

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Photo by stefanesculiviu , http://www.panoramio.com

Wir folgen der Dame aus der Kasse auf den Bahnsteig, deponieren dort die Ski, bedanken uns und verlassen vorerst die Talstation. Auf deren Talseite liegt ein großes Hotel, das wohl noch aus den 70er Jahren stammen dürfte und frappierende Ähnlichkeiten zu entsprechenden Bauten in den mondänen 70er-Jahre-Skiorten Italiens aufweist. Das grünlackierte Metalldach, das über das oberste Geschoss hinabgezogen ist, der verschachtelte Grundriss: es könnte Madesimo oder Cortina sein.

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Ganz allgemein weist dieses Land gewisse parallelen zu Italien auf: die Sprache zu allererst, aber auch gewisse Bauweisen, infrastrukturelle Elemente, immer wieder taucht bekanntes auf zwischen all den ur-rumänischen Elementen, die unverkennbar einzig dieser Region entstammen. So ist auch die Talstation dieser ebenfalls von Ceretti & Tanfani in den 70er Jahren erbauten Pendelbahn der Prototyp einer „italienischen“ Talstation. Die Integration in den Ort, die klare geometrisch-symmetrische Betonbauweise mit dem gedeckt beige-gelben Anstrich, die trotz der Simplizität eine eigene und nicht unelegante Formensprache aufweist, der etwas marode Beton im Anstehbereich davor mit den rotlackierten Geländern, die das strahlende Sonnenlicht reflektieren: all das ist seltsam vertraut. Eigentlich sind auch die vielen Buden im Bereich der Talstation typisch italienisch, dann aber auch in ihrer Ausgestaltung wieder sehr rumänisch. Da duftet es nach Pommes und gebratenen Zwiebeln, gebratenen Würsten, überall erschallt Musik aus den Lautsprechern und die Architektur entspricht dem typischen Carpathenstil, der für mich immer ein bisschen etwas von Hexenhäuschen hat.

Wir umrunden die Station und begeben uns auf die Bergseite. Auf einem kleinen Parkplatz davor – auch dieser erinnert mich wieder sehr an Italien – steht zwischen den Autos noch eine alte Kabine, wohl ein tschechisches Modell. Lustig auch ein Schild, das in Handschrift auf gelblackiertem Untergrund besagt, dass das Parken unter der Trasse der Bahn streng verboten sei , und sollte doch etwas passiere, dann werde jegliche Haftung ausgeschlossen!

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Ein bisschen wie Italien vor 30 Jahren: eine großzügige Ceretti & Tanfani Talstation, bergseitig davor ein kleiner, etwas chaotischer Parkplatz, aus Platzmangel ohne klare geometrische Begrenzungen, der zugleich als Lager für allerlei Ersatzteile dient. Die Station, mit klaren Linien und Formen und doch irgendwie eigen auf eine interessante Art. Links im Vordergrund sieht man sogar ein paar der typisch rotlackierten Geländer.

Etwas unterhalb der Bahn finden wir ein nettes, modern und geschmackvoll eingerichtetes kleines Café, wo wir Cappuccino trinken gehen. Ein interessantes Detail hier ist, dass der Cappuccino stets mit einem grauweißen Pulver darauf servier wird, das ich beim ersten mal noch für nicht aufgelöstes Aufgusspulver gehalten hatte. Tatsächlich wir der Caffè hier aber frisch gemacht und das Pulver muss eine Art Vanillezucker sein, denn im heißen Caffè bildet es schnell eine Art Caramel, was – wie ich finde – großartig schmeckt!

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Um kurz vor zwölf begeben wir uns wieder zurück in das Stationsgebäude, kaufen Fahrkarten, die mit 28,- Lei pro Person für die einfache Fahrt alles andere als günstig für hiesige Verhältnisse sind, und begeben uns schließlich in die Gondel. Die Sonne scheint warm auf die Bahnsteige, wir öffnen das Fenster, um später besser photographieren zu können. Doch weit gefehlt, an dieser Stelle unterscheidet sich Rumänien gerade einmal überhaupt nicht von unseren Gefilden: innerhalb weniger Augenblicke bemerkt das der Kabinenführer und redet solange auf uns ein, bis ein paar der anderen Gäste das Fenster wieder schließen.

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Einen kurzen Moment später schwebt die Kabine sanft und elegant aus der Station in die Flut aus Sonnenlicht hinein. Es ist allein dieses Gefühl der Leichtigkeit und Eleganz der Fortbewegung bereits, das mich an Pendelbahnen so fasziniert! Diese Anlage ihrerseits ist in ihrer Vielfalt, ihrer kühnen Trassierung und ihrer Ursprünglichkeit eine Königin unter den Pendelbahnen!

Die Bahn querst zuerst die Wiesen und lichten Baumgruppen oberhalb des Ortes, ohne viel an Höhe zugewinnen, bevor sie sich über den lichten Wald schwingt und die erste der unzähligen roten Stützen passiert. Die Stützen sehen genial aus! Der Lack ist im besten Zustand, Geländer und Leitern sind in gelb abgesetzt, die farbenfrohen Masten sind ein excellentes Beispiel dafür, dass sich Infrastruktur, in gedeckten Farbtönen gut lackiert, deutlich besser in die Landschaft integriert und weniger Fremdkörper bleibt, obwohl sie auffälliger sein müsste, als die typischerweise bei uns aufgestellten schmutzig-graubraunen feuerverzinkten Gittermasten oder nach DIN-Norm in RAL 2001xy Matsch-Graugrünbraun lackierten Pylonen.

Vor uns steigen tausend Meter Felswände empor, eine schmale Schlucht in ihrer Mitten. Die Bahn gleitet sanft und geräuschlos über den Wald, Bäche und Wanderwege sind zu sehen, schließlich dann nähern wir uns den Felsen. Auch dies ist etwas besonderes: heute überwinden Seilbahnen solche Flachstücke zu Beginn nicht mehr. Entweder stehen die Talstationen mit Zufahrtstraßen schon so weit oben, wie man gerade noch bequem mit dem städtischen Wagen fahren kann, oder der untere Teil der Strecke ist lange schon eine erste Sektion Kabinenbahn gewichen. Und doch gehört all das zur Dramaturgie einer grandiosen Pendelbahnfahrt dazu. Der ruhige erste Akt in den sonnendurchschienenen Lärchenwäldern, der dramatische zweite Akt in den Schründen und Abgründen der Felsmauern vor uns, die überwältigen Schönheit der endlosen weißen Weiten im dritten Akt schließlich, wenn die Bahn die Hochfläche quert, die anmutet wie ein Gletscherfeld weit oberhalb der Dreitausendmetermarke. All das ist diese Bahn nach Babele – 4,3 km einer Perferktion!

Mit dem Nahen der Felsmauern schließlich klingen die ruhigen Melodien dieser Ouverture aus: die Trasse wird steiler, das Seil schwingt sich empor zu einer auf einer Felsnase exponierten Stütze, tief unter uns die Schlucht. Licht und Schatten wechseln, wundervolle Kontraste zwischen dem Strahlendblau des Himmels, den sanft-warmen Farbtönen der Lärchen und Felsen, den leuchtenden Rottönen – wieder einmal – der Stützen. Dramatik und Harmonie in einer gigantischen Schlucht.

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Das Auge kann kaum den vielen Eindrücken so schnell folgen, ganz nah passiert die Kabine die Felsen, für Bruchteilen von Sekunden ist man teil dieser abgelegenen Orte, der Felsnasen, die die Stützen tragen, dann gähnt schon wieder klaffend der Abgrund hundert Meter tiefer. Und während am oberen Rand des Blickfelds bereits die eisigen Zinnen gleißend im Sonnenlicht throhnen, gleitet die Kabine hoch über dem Grund der Schlucht in einem gigantischen Spannfeld weiter Himmel und Sonne entgegen.

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Einige Minuten blickt das Auge in die unscharfen schattigen Tiefen, dann scheinen plötzlich die Eisgrate zum Greifen nahe. Die Bahn nähert sich der Kante, Ereignishorizont am äußersten Rand der Schlucht, bis auf wenige Meter, dann umflutet das gleißende Weiß die Kabine, alles ändert sich, nichts erinnert mehr an die wilde Landschaft wenige Augenblick zuvor, als die Gondel nun die endlosen Weiten der weißen Wüste passiert, über glitzernden Eisfläche voll unberührte Schönheit geräuschlos dahinschwebt.

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In strahlender Pracht soweit das Auge reicht eine Winteridylle aus Eiskristallen, der dritte Akt, die pure Reinheit aus unberührtem Weiß. In der Ferne schließlich erscheinen die Formen der Bergstation, ruhig umflossen vom sanften Gelände und nicht brachial implantiert wartet diese formschöne Station als letzter Außenposten in der weißen Einöde. Einige letzte Meter, ein gleichmäßiges Verlangsamen, schließlich der Schatten der Station, die Gondel gleitet sanft gegen den Federanschlag am oberen Ende einer abenteuerlichen und einmaligen Trasse. Der Kabinenführer entriegelt die Türen, schiebt sie von Hand beiseite: wir sind am Ziel!

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Aus der Kabine heraus treten wir auf die Bahnsteige, Streiflicht flutet die Fensterfronten der Stationswand, die Patina auf den Betonwänden gibt dieser Station eben jenes perfekte Polarambiente, das diese Stimmung heraufbeschwört, die ich so mag. Es beeindruckt mich, wie das Zusammenspiel all dieser Elemente mit ihrer Umgebung ein Ambiente schafft, das die Phantasie anregt und ganz ungeachtet der Frage der reellen Möglichkeiten hier oben skizufahren, eine Faszination für diesen Ort hervorruft, den Wunsch mit den Ski in die weiße Weite hinaus zu gleiten, selbst wenn es hier keine einzige Piste gibt und keine einzige Aufstiegshilfe. Es ist schon seltsam, wie sich mein Bezug zum Skifahren immer mehr verändert hat: heute reichen mir eine solche Bahn, eine solche Landschaft und ein solches Licht, um einen perfekten Skitag zu definieren.

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Wie spazieren durch die Gewölbe des Stationskomplexes, in all seinen Elementen Prototyp jenes außenpostenhaften massiven Baustils, der so viele ästhetische Elemente bietet, so viele Details zum entdecken, frei von störendem Beiwerk, das hier nicht hergehört. Von einem gewissen Standpunkt heraus betrachtet, ist dies eine Traumwelt. Schon die Erbauer der französischen Skistationen der vierten Generation erkannten, dass die Touristen in die Berge kommen, um eine surreale Welt ihrer Träume vorzufinden – Idyllen und Elemente, die Phantasie und Emotionen erwecken. Für jeden mag das anders sein, in Frankreich und anderswo hatte diese Idee teils furchtbare Bausünden zur Folge, wie die Pseudochaletbauweise der Gebäude in Meribel-Village, das disneysiesque anmutende Arc 1950 und – weniger intendiert – den typischen tiroler Skiort. Und dennoch ist die Grundidee völlig richtig, ist es eben diese inspirierende Umgebung, die wir Menschen im Gebirge suchen – jeder auf seine Art. Wir bewegen uns hier zwischen den verblassten Bildern unserer Kindheitserinnerungen, Scheinwelten hervorgerufen durch die Kaltkriegsspionagefilme aus der Arktis der 70er Jahre, legendären Photographien alter Skibücher und dem, was wir in das, was bei uns nur noch Ruinen sind, hineininterpretieren. So lässt sich für diesen Moment, unsere Gefühle und die Stimmung hier oben, tatsächlich sagen, dass wir – ganz subjektiv – ein kleines Paradies vorfinden.

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Wir umrunden die Station und creieren Lichtbilder, Stahl und Glas und Beton, Licht und Schatten, Reflexionen auf Metall und Lack. Die Station fasziniert mich erheblich mit ihren aufgeständerten Verbindungsgängen, verwinkelten Anbauten, der in den Hang geduckten wetterfesten Bauweise, den klaren schönen Formen. Die Raster der Fensterfronten, der Wechsel aus gedecktem Rot und Beige, die Spiegelungen von Licht und Schnee auf dem glatten Metall: selten habe ich eine so photogene Station gesehen. Und das faszinierendste daran: sie hat ihre Patina, ihre Spuren von Zeit und Wetter – und ist doch nicht heruntergekommen oder verfallen, sondern wunderbar in Stand gehalten!

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Faszinierend genietetes Metall ohne Rost, freischwebende Verbindungsgänge in klarer Geometrie: für mich ein Kunstwerk der Baukunst, diese Station.

Sodann gleiten wir in die glitzernde Eiswelt hinaus. Ich weiß, ich habe das schon oft beschrieben, aber es ist für mich jedesmal von Neuem ein wahnsinniges Gefühl von Freiheit, wenn die Ski durch die schier unbegrenzte gleißende Weite gleiten, frei von Spuren oder Markierungen, denen zu folgen wäre. Die Route ist selbst zu suchen, der optimale Weg am Hang, die Trasse, die genügend Geschwindigkeit bringt und doch nicht zu viel Höhe verliert. Der Schnee ist hart vom Wind gepresst und durch den Regen einem Eispanzer gleich, doch uns kommt das heute zugute, denn so können trotz des sehr flachen Geländes zügig fahren, zudem verstärkt sich der überstrahlende Glanz hierdurch noch um ein Vielfaches. Weder fahren wir steil hinab noch sportlich, aber mir ist das egal, es ist die Unberührt und die Schönheit der von Wind, Wetter und Erosion geschaffenen Formen, die mich reizt – mit ihrem kleinen Kontrast der einsamen Station auf diesem wohl oft nur vom Wind heimgesuchten Hochplateau.

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Wir erklimmen im Grätschschritt einen kleinen Gipfel, um uns zu orientieren. Der Blick schweift weit nach Süden, von Westen kündigt sich die nächste Front an, ist aber noch weit entfernt, davor warten scheinbar endlose weiße Hänge auf unsere Erkundung. In der Ferne lassen sich die Gipfel von Sinaia erkennen, es ist doch ein gutes Stück bis dorthin. Rechts unterhalb liegt jenes völlig abgeschiedene Tal, das mich schon zuvor so neugierig gemacht hat.

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Sinaias stillgelegter Schlepplift in der Ferne, in seiner steilen exponierten Trasse so völlig ohne Spuren für mich von einer eigenen Ästhetik. Die Formen des Schnees sprechen ihre eigene Sprache …

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Das rückwärtig von Sinaia gelegene Schigebiet mit jenem Sessellift mit den faszinierenden rot-orangen Stützen.

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Hinter diesem Gipfel liegt die Bergstation der Seilbahn aus Sinaia, die Cota 2000. Und wieder erzählt der Schnee seine Geschichte…

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Doch ist es weit noch bis dorthin…

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Formen…


So gleiten wir ein wenig an den Flanken entlang durch die kristallenen Weiten, ohne Spuren zu hinterlassen. Mal fliegt das Eis unter einem vorbei, spürt man den Wind im Gesicht, dann wieder gleiten die Ski auf einem sanften Höhenrücken aus. Die Station von Babele ist lange bereits verschwunden, wir nähern unserem einem großen Taleinschnitt, an dessen gegenüberliegender schon die weitesten Ausläufer der Bergflanken von Sinaia beginnen. Rechts von uns beschreibt dieses Tal einen weiten Bogen nach Norden, bevor es die Wälder erreicht und sanft in das Haupttal einmündet, das das Gebirge zu Westseite hin begrenzt und wohin nördlich hinter uns die andere Sektion der Seilbahn hinab führt.

Während ich auf einer Kuppe in der Sonne den Blick genieße, bemerke ich ein paar Details. Zunächst sehe ich, dass wider Erwarten die Straße, die in das Tal führt, geräumt ist. Außer ein paar Sommerunterkünften, die ich für im Winter nicht bewirtschaftet gehalten hatte, gibt es hier nicht viel. Die Anfahrt erfolgt weit von Süden über viele Kilometer abseits der besiedelten Gegenden, an einem einsamen Stausee entlang hinein in diesen weiten Talschluss. Dass die Straße dennoch im Winter geräumt ist, ist ein interessanter Aspekt. Sodann sehe ich, dass aus dem beschriebenen Seitental, das in weitem Bogen zu uns aufsteigt, Spuren heraufkommen und Richtung Sinaia führen, sie folgen stangenartigen Markierungen. Ebenfalls sichtbar sind von Babele hinab führende Abfahrtspuren in eben jenes Tal! Ich werde neugierig, gleite ein paar hundert Meter weiter, wo ich auf Kris treffe, der die Spuren, die nun wenige Meter vor uns unsere Trasse kreuzen, auch bemerkt hat.

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Photo by Kris.

„Schau mal, was hälst Du davon?“ – „Hm…“ – „Pass mal auf, lass uns mal darunter fahren. Siehst Du das Gebäude da unten? Ich glaube, das ist ein Hotel oder ein Restaurant. Und: die Straße ist geräumt. Lass uns runter fahren, nett etwas essen oder so und dann mit dem Taxi zurück nach Sinaia.“. – „Hm…“. – „Du hast Dich doch vorhin beschwert, dass nach Sinaia rüber zu laufen keine Skitour sei, nur so eine Skiwanderung sei und kein richtiges Skifahren. Darunter fahren i s t skifahren!“. Kris zögert einen Moment. „Ja… das sieht so aus, als sei die Straße offen. Bei dem Restaurant oder was das ist, kann ich es nicht sehen.“. Ich versuche ein Bild mit dem starken Teleobjektiv zu machen, aber ob das Gebäude ein Restaurant ist oder nicht und wenn ja, ob es offen ist, lässt sich nicht klar sagen, obwohl es so aussieht als sei ein großer Parkplatz davor. Ich weiß außerdem, dass es dort mehrere Hütten, Hotels und Restaurants gibt. Wenn relativ frische Spuren hinab und hinauf führen und zudem die Straße geräumt ist, dann stehen die Chancen ziemlich gut, dass zumindest irgendetwas offen hat. „Komm, wir schauen uns das mal an. Ich denke schon, dass zumindest irgendein Restaurant dort unten offen hat. Und das Taxi spendier ich, ich hab jetzt mal Lust auf ein bisschen Abenteurt. Ey, wie oft fährt man schon in ein total abgelegenes Carpathental am Ende der Welt?“. „Na, von mir aus kein Problem, dann lass uns darunter fahren.“.

Wir fahren weiter, bis wir auf die Aufstiegsspur treffen. Es gibt Fußspuren und Spuren von Tourengehern, beide scheinen nicht allzu alt zu sein. Schließlich Kris will direkt in das Tal vor uns abfahren und diesem dann zu dessen Ausgang im Haupttal folgen, wo sich auch in etwa das Restaurant befindet. Nun bin ich wiederum skeptisch. „Du, wir haben kein‘ Plan wie dicht der Wald da unten ist, plus, dass das eine ganze Menge Wasserläufe queren bedeutet, die in dem Gestrüpp da unten echt unbequem werden können. Wenn wir der Aufstiegsspur querend folgen kommen wir auf die sonnige Flanke dort drüben und können die runter fahren. Das letzte Stück im Wald unten ist dann zwar auch flach, aber da können wir damit rechnen, dass man da irgendwie durchkommt.“.

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Blick rechts hinüber zu der Flanke, auf der hinab die Spuren in das abgelegene Tal führen…
Photo by Kris.


Wieder muss ich Kris ein bisschen überreden, was aber auch daran liegt, dass er im Zweifel durch das Gestrüpp einfach runterfährt und diese Taleinschnitte mit den Bächen schon irgendwie quert, ich aber eben nicht und mir das daher wenig Spaß macht, irgendwo hängen zu bleiben, so dass ich die anfängliche Querung gern in Kauf nehme, wenn ich die Route dafür für sicher halter. Recht schnell einigen wir uns, und so gleiten wir die Hänge entlang zurück zu der Flanke rechts hinter uns, passieren einen engen Talabschnitt mit einem Bach zwischen dichtstehenden Bäumen und finden uns auf einem traumhaften Hang vis-à-vis der Sonne wieder.

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Photo by Kris.

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Die Flanke hinab in das Tal, unten erkennt man den flachen Ausklang in den Wäldern und an dessen Ende der vermutete Restaurant.
Photo by Kris.


Der windgepresste Schnee ist einer weichen Schneeauflage auf festem Untergrund gewichen und so stauben wir den Hang hinab, an lichten Baumgruppen und Almhütten vorbei zu Tal. Die Markierungen der Route folgen dieser Flanke nicht weiter, sondern führen weiter nach Norden, mit großer Sicherheit zu dem Hotel an der Talstation der Seilbahn, die nicht mehr weit sein kann. Stattdessen finden sich auf dem Hang viele Aufstiegs- und Abfahrtspuren, die in das Tal hinab führen. Wir haben schon fast den Talgrund erreicht, als die Bäume dichter werden. Ein paar geschickte Schwünge zwischen den Stämmen hindurch, dann folgt ein weiterer sonniger Hang, an dessen Ende dann ein kleiner Pfad in den dichten Wald führt.

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So folgen wir auf den letzten beiden Kilometern dem Pfad, queren Bachläufe auf schmalen Schneebrücken, die man immer erst im allerletzten Moment sieht, so dass man höllisch aufpassen muss, sie nicht aus Versehen zu verfehlen. Dann weiten sich die Bäume, wir erreichen eine Art Almwiese, eine kleine Idylle, die mich wie so oft an die Dolomiten erinnert.

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Schon auf der Abfahrt hierunter hatten wir am Gegenhang im Wald ein paar auffällige Zeichen entdeckt, und tatsächlich: dort steht ein Seillift! Das ist vermutlich die entlegenste Liftanlage, die ich je gesehen hab, zumindest irgendwie die unwahrscheinlichste. Wir laufen die etwa 200m dorthin, während ein Hütehund um uns herum streicht und uns begleitet. Aus der Nähe erkennen wir, dass es ein privater Lift der Bergwacht ist, schon wollen wir fragen, ob wir mal eine Runde drehen können (ich zumindest), da wird der Lift abgestellt und die Leute kehren in die Hütte zurück.

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Wir machen uns also auf den Weg zurück und in Richtung des vermuteten Restaurants, das ein paar hundert Meter talauswärts liegt. Insgesamt bin ich später erstaunt, wie gering die Distanzen hier sind, nur etwa einen halben Kilometer weiter taleinwärts wäre das Hotel „Pestera“ mit der gleichnamigen Endstation der Seilbahn gewesen.

Einige Minuten später stehen wir vor dem Hotel / Restaurant, ein paar Bauarbeiter schleppen Holz, zumindest Menschen sind vor Ort, so dass wir werden telephonieren können. Allerdings scheinen unsere Chancen auf einen Caffè zu schwinden. Kris geht hinein und fragt, und tatsächlich ist das Restaurant sogar geöffnet. Währen im Eingangsbereich die Renovierungsarbeiten in vollem Gange sind und man den Kopf einziehen muss, ist es im Restaurant dahinter sehr nett ruhig. Die, wie ich finde sehr hübsche, Tochter des Hauses, die ein paar Jahre jünger sein muss als ich, betreut das Restaurant. Sie spricht ein ganz bisschen Englisch und ansonsten rumänisch, wir versuchen es mit italienisch, und ein paar Fragmente des Rumänischen habe ich mir mittlerweile auch angeeignet. So verständigen wir uns ganz gut und trinken bald Cappuccino, essen Brot und Kris eine Suppe. Mittels seines iPhones können wir sogar das hiesige WLAN nutzen, Technik in der Wildnis.

Ich frage das Mädchen nach einem Taxi. „Hm, sorry, aber hier gibt es kein Taxi.“. Oh! Und was jetzt? Ich versuche noch ein bisschen nachzuhaken, aber das scheint ein Problem zu sein. Wir fragen, ob wir irgendwie nach Sinaia zurück gelangen können. „Was ist mit der Seilbahn? Die von Pescara?“. „Die ist geschlossen, und das ist jetzt auch schon ein bisschen spät.“, entgegne ich. Es geht bereits auf drei Uhr zu. „Lass uns die Felle aufziehen und rauflaufen“, meint Kris. Ich überlege ein wenig, im Prinzip fände ich das schon interessant, allerdings sind es wohl etwa sechshundert Höhenmeter, in gut zwei Stunden setzt die Dämmerung ein und spätestens ein drei Stunden ist es stockfinster. Außerdem bin ich mir meiner Kondition nicht ganz sicher, zwar bin ich eigentlich recht fit, aber ich bin bisher wenige Skitouren gegangen und Höhenunterschiede einzuschätzen fällt mir diesbezüglich schwer. Unsere junge Gastgeberin lädt uns zum wiederholten male ein, doch einfach hier zu übernachten. Eigentlich finde ich die Idee gar nicht so schlecht, doch haben wir ja nun schon unser Hotel an der Cota 1400 und Kris werde ich bestimmt nicht überreden können hier zu bleiben.

So überlegen wir ein wenig, als die Hausherrin dazu kommt und mit dem Mädchen, das vermutlich ihre Tochter ist, ein paar Worte wechselt. Dann schreiben sie uns ein paar Telephonnummern auf. „Das sind die Taxidienste von Sinaia, ihr könnt dort anrufen, aber es sind über fünfzig Kilometer Straße.“. Alles klar, jetzt verstehe ich das. Nun denn, das wäre ja machbar, das wären etwa 50 Lei, also 12,50 Euro, damit könnte man prima leben. Allerdings hat uns der Gedanke von der Skitour auch zusehends ergriffen, Kris prüft bereits die möglichen Routen. In der Ecke steht ein Aquarium, zwei Fische schwimmen kopfüber regungslos in einer Ecke. Ich wundere mich, ob es ihnen wohl gut geht so oder ob sie bereits in die ewigen Fischgründe eingegangen sind und mache eine schmunzelnde Bemerkung. Unsere Wirtin lacht und kommt zu mir. „Nein, nein, denen geht es prima. Das machen die manchmal.“. Ah ja, die Fische schwimmen manchmal kopfüber in der Ecke, ja? Ich mag das nicht so ganz glauben, da berappeln sich die Biester mit einem mal und schwimmen munter und fröhlich umher als sei nie etwas gewesen. Äh ja … verstehe einer die rumänischen Fische!

„Ich geh mit der Skiern hoch“, verkündet Kris. „Wenn Du Taxi fahren willst, ist das völlig ok, dann treffen wir uns am Hotel.“. Tja… aber eigentlich würde ich auch gern wieder rauflaufen, irgendwie scheint mir das der passendere Abschluss eines solchen Tages zu sein und ich wäre auch gern noch mal dort oben an der Cota 2000. Wir studieren die Bilder auf gEarth auf dem Display des iPhone, das eigentlich für diese Zwecke etwas zu klein ist. Ohne die 3D-Funktion ist es nicht ganz leicht, sich in den Bergen dort zu orientieren. Kris schlägt vor, von unserem Restaurant aus ein Stück Fortstraße zu gehen und dann direkt in der Falllinie den Hang hinauf durch den Wald. Relativ bald wird der nach den Luftbildern schon wieder lichter, dazwischen ist aber ein Stück von vielleicht zweihundert Höhenmetern, bei dem man nicht erkennen kann, ob es wegsam ist oder nicht.

Ich zweifle ein wenig. Ich gehe ungern in solche Passagen, die derartige Fragen offen lassen, und auch wenn die Chancen 80% zu 20% stehen, dass wir da durchkommen, ist mir das angesichts der nahen Dämmerung zu riskant. Auch weiß ich, dass es enge steile Stellen im dichten Unterholz gibt, die für Kris vielleicht kein Problem darstellen, mich aber dann derart ermüden, dass es in der kurzen Zeit schwierig werden könnte, die Cota 2000 zu erreichen. Vor allem aber sah mir der Wald bei unserer Abfahrt derart dicht aus, dass ich das Restrisiko, dass dort kein gescheites Durchkommen ist, nicht eingehen möchte.

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Kris ist nicht recht überzeugt, tut mir aber den Gefallen, sich mit mir auf die andere Route zu einigen. Die Nachmittagssonne steht schon tiefer als wir das Restaurant nach einem herzlichen Abschied verlassen und gegen viertel nach drei aufbrechen. Ich ziehe die Felle gleich hier auf, Kris läuft erstmal voraus. Der Hund, der uns schon auf dem Herweg in Empfang genommen hatte, begleitet uns auch dieses mal. Mit den Fellen noch nicht völlig routiniert, benötige ich ein paar Minuten, Kris ist schon ein gutes Stück voraus. Dafür kann ich über die Almwiesen quer abkürzen, in etwa dort, wo der Pfad in den Wald mündet, treffen wir einander wieder. Als die Spuren weniger ausgetreten werden, zieht auch Kris die Felle auf, ich gehe voraus und warte nicht, weil ich ihm damit wohl kaum einen Gefallen tun würde, da er ohnehin einiges schneller gehen wird als ich.

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... the echo of a distant time ...


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 Betreff des Beitrags: Re: ::: Carpathia [ -2010- ]
BeitragVerfasst: Sa, 13.03.2010, 21:29 
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Carpathia [ Teil III ]

Es ist ein seltsames Gefühl durch diesen einsamen Wald zu laufen. Nur zu präsent sind mir die diversen Warnschilder mit den Bären, in den letzten Jahren gab es hier mehrere tödliche Begegnungen, obwohl diese Tiere eigentlich friedliebend sind und normalerweise versuchen, Menschen zu meiden. Doch hier bin ich in ihrem Revier und die Dämmerung naht, die Zeit, in der sie am aktivsten sind. So habe ich ein leichtes Unbehagen im Nacken und versuche, den Teil mit dem dichten Wald so schnell wie möglich hinter mich zu bringen. Ein bisschen beruhigt mich die Anwesenheit des Hundes, der mit ziemlicher Sicherheit ein Zeichen geben würde, wenn ein Bär in der Nähe wäre. Überhaupt fasziniert mich das Tier. Er bleibt in der Nähe, kommt aber niemals so dicht heran, dass es unangenehm wäre, läuft voraus und ist doch immer wieder bald in Sicht. Ziemlich schnell bemerke ich auch, dass der Hund erheblich viel mehr Ahnung davon hat, wie man sich in diesem Gelände bewegt, als ich. Von mehreren möglichen Passagen wählt er stets die (auch für mich) richtige aus, so dass ich bald dazu übergehe, ihm einfach zu folgen. Mehrere mal stelle ich weiter oben am Hang dann fest, dass ich für diese Führung dankbar sein kann, auch wenn die Erinnerung an die Abfahrt und die Aufstiegsspur vielleicht meistens auch ausgereicht hätten.

Tatsächlich komme ich gut voran, und solange es nicht allzu steil ist, habe ich konditionell überhaupt keine Probleme. Auch als die freien Flächen der Flanke beginnen, die wir hinab gefahren sind, bin ich erstaunt, wie gut ich dort hinauf komme. Ich muss stets zusehen, dass ich nicht zu steil gehe, aber dann ist alles kein Problem. Daran erkennt man, dass ich normalerweise im Flachland Sport betreibe: ich habe eine ganz gute Kondition, gerade auch was Langstrecken angeht und auch ein bisschen Steigung macht mir nichts. Ab einem bestimmten Grad der Steilheilt kippt dies allerdings schlagartig, mein Puls verschnellert sich rapide und ich muss extrem langsam gehen. Bei den richtigen Bergsportlern liegt dieser Punkt – so er denn überhaupt existiert – jedenfalls deutlich verschoben. Sobald es etwas steiler wird, hängen mich routinierte Tourengeher wie Kris, die einfach die Falllinie gehen, in kürzester Zeit ab.

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Photo by Kris.

Hier ist das Gefälle zum Glück über lange Strecken relativ gleichmäßig, so dass es erst im Bereich der markierten Route am oberen Ende der Flanke ist, dass Kris mich von hinten einholt und wir einander wiedertreffen. Auf den folgenden steilen Metern bis zur markierten Traverse, die wir heute Mittag gekommen sind, falle ich dann aber schnell deutlich zurück. Auf diesen steilen Passagen macht sich auch meine nicht ausgereifte Tourengehtechnik bemerkbar, was das Gehen für mich anstrengender macht als nötig. Manchmal suche ich mir auch einfach schlechte Hangpartien aus, vergessend, dass man auf dem eisig-blanken Schnee keinen guten Halt findet beim Traversieren, so dass das Serpentinengehen sehr unangenehem ist, wenn man seine Route nicht bedacht wählt.

Die Wolkenbänder und Türme sind mittlerweile immer dichter herangerückt, bedrohlich schieben sie sich über die westlichen Kämme der Carpathen, verdecken die Sonne. Es wird kühler als ich Passage mit dem Bach erreiche, hinter der sich die weite Traverse befindet, die wir ganz am Anfang gekommen waren, weit ist es nicht mehr bis zu unserem Einstiegspunkt. Das kurze Stück zwischen den Bäumen an dem steil abfallenden Hang ist das letzte, wo man ein wenig achtgeben muss. Während ich vorsichtig aufsteige, sehe ich zwischen den Stämmen unterhalb den Gedenkstein eines jungen Mädchens, das hier vor beinahe dreißig Jahren ums Leben gekommen sein muss. Die kleinere Schrift darunter kann ich im Halbdunkel nicht entziffern…

Das Queren der Flanken geht erneut relativ zügig von Statten, bald stehe ich an dem Punkt, wo wir heute mittag auf die markierte Route getroffen sind und wo auch Kris nun wartet. Es ist viertel vor fünf, die Dämmerung setzt ein. Ich hole die Jacke aus dem Rucksack und ziehe sie an, es ist ziemlich kühl mittlerweile, der Wind frischt auf. Als ich mich umdrehe, um mit Kris die weitere Route zu besprechen, sehe ich, dass schon er schon etwa hundert Meter in eine Senke hinab gefahren ist, weiter in Richtung der Berge von Sinaia. Ich rufe, die Senke mündet in einen Canyon, das habe ich heute mittag gesehen, er dreht sich um, ich versuche zu bedeuten, dass ich auf der markierten Route bleiben will. Ich weiß nicht genau, ob er mich verstanden hat, einen Augenblick später ist er hinter einer Erhebung verschwunden.

Ich gehe einige Meter weiter auf der markierten Route, teils um zu sehen, wohin sie weiter führen wird, teils in der Hoffnung, irgendwie noch einmal Kontakt zu Kris aufzunehmen. Vis-à-vis finden sich steile Hänge mit teils unterholzartigem Gestrüpp, diese bei den eisigen Verhältnissen aufzusteigen, scheint mir keine gute Idee. Was für ein Gelände sich südlich davon anschließt, lässt sich von hier aus nicht erkennen. Generell sollten die Hänge irgendwann weiter und flacher werden, aber ob noch ein steiles, möglicherweise sogar felsiges, ausgewaschenes Tal dazwischen liegt, ist nicht auszumachen. Ich sehe nur die Öffnung des Canyons… in Madesimo, vor gut sechs Wochen, sind wir in genau einem solchen gestrandet und mussten durch den Wald zurück aufsteigen - keine große Freude.

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Nachdem ich den Sattel, wo sich unsere Wege getrennt hatten, durchquert habe, sehe ich den weiteren Verlauf der markierten Route: sie führt zu einem großen Rifugio, etwas weiter als auf halbem Wege von Babele zur Cota 2000. Bis zu diesem sind es noch gut eineinhalb Kilometer, aber das Gelände ist eben. Das Gebäude habe ich bei der Routenplanung heute mittag von der Bergstation in Babele aus gesehen, von dort führten deutlich ausgetretene Spuren den Höhenrücken entlang zur Cota 2000. Der Canyon hingegen sieht zusehends schwerer passierbar aus, je weiter ich hinein schauen kann….

Ich grübele kurz, dann ist für mich die Sache entschieden: mittlerweile ist es nach fünf, es wird noch etwa 45 Minuten dauern, dann ist das Tageslicht weitestgehend verblasst. Weder kann ich den Canyon rechts unterhalb von mir einschätzen, noch weiß ich, was für ein Gelände sich daran anschließt. Zudem birgt die Passage am Rifugio die Option, im Notfall dort ein Telephon vorzufinden (mein Mobiltelephon funktioniert bisher in Rumänien nicht) und im aller schlimmsten Fall auch eine Unterkunft, wenn sich herausstellen sollte, dass ich Sinaia nicht mehr erreichen kann, weil irgendeine Passage nicht gangbar ist. Kurz vor Einbruch der Nacht in spurenloses mir völlig unbekanntes Terrain abzufahren, scheint mir bei realistischer Einschätzung meiner alpinistischen Fähigkeiten zu riskant. Zwar ist die Strecke über das Rifugio ein Umweg, aber kein großer und bei der zu erwartenden gleichmäßigen Steigung für mich sogar ein vermutlich erheblich schnellerer Weg.

Unschön ist einzig, dass ich nicht weiß, ob Kris tatsächlich gesehen hat, dass ich auf der Route geblieben bin. Um ihn selber mache ich mir wenig Sorgen, ich habe keine Zweifel, dass er auch in unwegsamem Terrain zügig genug vorankommen wird und weiß, was zu tun ist. Aber trotzdem ist das keine gute Situation, wenn wir voneinander nicht wissen, wo wir sind, auch wenn wir beide gewohnt sind, autark zu agieren. Aber das alles kann ich gerade nicht ändern, und das auch deshalb, weil er einfach weiter gefahren ist, ohne mit mir zu sprechen. Das ist etwas, das mich in diesem Moment auch ärgert, auf diese Art und Weise vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden, und so fällt es mir vielleicht darum auch etwas leichter, genauso meiner eigenen Route zu folgen wie mein Gefährte. Wenn alles gut läuft, denke ich, stehen die Chancen sogar nicht schlecht, dass wir in etwa gleichzeitig die Cota 2000 erreichen – dann ist das eh unproblematisch. Und so marschiere ich zügigen Schrittes los, immer auf das Rifugio zu…
Ein seltsames Gefühl der Euphorie erfasst mich in dieser einsamen Weite beim Durchqueren der Hochfläche. Ich bin völlig allein, der Körper Maschine, der Geist aber frei. Die Front hinter mir schickt tastend ihre ersten Finger über das dämmernde Firmament, wo die Sonne unter den Wolken hindurch scheint, taucht sie die Ebene in ein blassrotes Licht. Es scheint als wären Zeit und Raum vergangen, Schritt für Schritt gleiten die Ski geräuschlos durch die Stille, mein Körper verbrennt, was ihm energiespendend zur Verfügung steht, ich fühle die Erschöpfung nicht, aber sie mag Teil dieser besonderen Stimmung sein, die ich empfinde. Surreal ist die Welt, der Geist losgelöst von Realitäten, eine Sagenwelt, phantastischer Mythos, überbordende Emotionen und zauberhafter Glanz um mich herum…

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Gut zwanzig Minuten später erreiche ich das Rifugio. Als ich auf den abzweigenden Weg in Richtung Cota 2000 treffe, kommt vom Haus ein Mann auf mich zu. Wir grüßen einander, er spricht mich an. „How is the snow?“ – „Depends. Actually, I am more than happy with it, as hiking otherwise would be much less easy, though I guess powdering you’d call something different.” – “I daresay. So… tell me, where are you going?” – “I need to return to Sinaia.” – “Sinaia?”. Er überlegt einen Moment und nickt. “Ok. You will need to follow the tracks up there, just stick to the yellow signs, they mark the way. Hm… you look like you know about skiing, so I guess in an hour you can be there. There is also an alternative route, but I guess easiest to just follow the yellow signs, they will lead you directly to the spot. … hm… do you have crampons?” – “No.” – “Ok, yes, simply follow the main track. As I told, there is an alternative, but well… I don’t know, by now it might be ok, but there have been also some huge avalanches in the last years, so you might want to prefer the principal track.” – “Ok, the YELLOW signs then?” – “Exactly!”.

Er lacht, ich bedanke mich, und mache mich auf den Weg. Während ich den Hang oberhalb des Rifugios hinaufsteige, kreisen meine Gedanken ein wenig um das Gespräch. Der Mann wirkte alpinistisch erfahren, ich vermute, dass er am Rifugio arbeitet oder zumindest mit diesem irgendwie verbunden ist. Was mich nachdenklich macht, ist der Verlauf des Gesprächs. Da war eine gewisse Sorge, wohl nicht zuletzt wegen der fortgeschrittenen Uhrzeit. Es ist zwanzig nach fünf mittlerweile, es wird sehr bald dunkel und ich habe keine Lampe. Was mich aber mehr beunruhigt hat, war dieses Gespräch über die Alternativroute. Ich würde für gewöhnlich gar nicht auf die Idee kommen, um diese Uhrzeit eine Alternativroute auszuprobieren, wenn es eine markierte und viel begangene Hauptroute gibt. Vor allem aber die Art davon zu sprechen, fällt mir auf. Die Alpinisten sagen ja nie, dass etwas gefährlich ist, sie drücken diese Dinge anders aus. Mal sind Routen ungünstig heute, oder einfach nicht optimal. Ich glaube, diese berüchtigte Alternativroute ist eine davon…

Die Front zieht immer weiter in den Himmel, die Stimmung wird immer bizarrer. Mit den düsteren Wolkenarmen erreichen die ersten Sturmböen jenen Felsgrat der Carpathen, dem ich folge. Der Wind wirbelt den Schnee in die Luft, in dem sich das ersterbende Tageslicht bricht, rauscht über den Grat, trifft mein Gesicht. Das Spiel aus Licht, Wolken und Sturm ist überwältigend. Irgendwann passiere ich ein altes Laufstadium, mitten in der Eiswüste halb im verwehten Schnee versunken, ein bizarrer Anblick im entfremdeten Licht der Sturmes. Weiter hinter mit die alte Station der Pendelbahn in der eisigen Wildnis…

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Ich passiere Grenzwelten, dunkel bedrohliche Himmel, feenhaftes Licht… das gleißende Eis reflektiert all dies, vor die finsteren Wolken wirf der Wind die Eiskristalle, die im Streiflicht erglühen… mein Gefährte sind sie, Wind und Eis, so unwirklich diese Welt, die stark die Kontraste aus phantomhafter Bedrohlichkeit der Sturmfront und dem passierenden fragilen Licht…

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Langsam lasse ich den weiten Höhenrücken hinter mir, fast zwei weitere Kilometer habe ich seit dem Treffen am Rifugio zurückgelegt, es ist zwanzig vor sechs als ich einen Sattel erreiche. Seit einiger Zeit begleitet mich wieder ein Hund, der vermutlich zu der Berghütte gehört, der andere muss vorher Kris gefolgt sein. Das Tier läuft geradeaus weiter, wo die Spuren steil den Berg hinauf führen. Die Markierungen teilen sich hier, die gelben umgehen den Berg links von mir auf seiner Ostflanke. Die Direttissima allerdings ebenfalls markiert: ist schwarz-gelb. Das dort vor mir muss die Alternativroute sein, vor der ich gewarnt wurde.

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Ich folge der Spur und den gelben Schildern links um den Berg herum. Bald beginnt das Gelände links von mir leicht abzufallen, die Spur nutzt eine weite Terrasse in der Flanke. Mein vierbeiniger Gefährte läuft über den Schnee zu mir herüber, begleitet mich ein Stück, dann läuft er wieder zurück zu der anderen Spur. Na, denke ich, unser erster hündischer Führer heute kannte sich aber besser aus als Du mein lieber, der wusste wo es langgeht. Vielleicht hätte ich hier ein wenig nachdenklich werden sollen, doch denke ich mir nichts, und folge weiter der Spur auf der beschriebenen Route entlang.

Schon bald merke ich, dass das Gehen mir schwerer fällt. Nicht nur bin ich erschöpft, auch wird die Spur weniger deutlich. Ich wundere mich, es scheint fast so, als seien mehr Leute das Risiko der Alternativroute eingegangen als auf dem beschriebenen Normalweg zu bleiben. Der Sattel liegt ein paar hundert Meter zurück, als ich den Schatten der Bergflanke trete. Mein Instinkt erwacht zusehends, eine innere Unruhe erfasst mich. Noch ist es nicht greifbar, kann ich das Gefühl nicht näher beschreiben, aber ich spüre eine innerliche Warnung.

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Es zusehends dunkler, auch merke ich, dass hier in der schattigen Ostflanke das Eis erheblich dicker ist, die vormals dünne Eiskruste, die die Ski immer noch durchbrachen, ist zu einem massiven Eispanzer geworden. Ich beginne mich mehr und mehr umzusehen, je weiter ich den Berg umrunde. Rechts oberhalb von mir türmt sich steil der Felsgipfel auf, auf dessen Rückseite die andere Spur hinaufführte, links fällt die Flanke mittlerweile nach wenigen Metern so steil in eine Schlucht hinein ab, dass ich nicht mehr hinab sehen kann. Ein ziemlich exponierter Ort… . Die Route folgt einer Art Sims oberhalb einer Felswand, der wie ein Balkon mit relativ wenig Quergefälle dieser steile ausgesetzte Flanke durchzieht. Ich beginne unruhiger zu werden, je weiter ich voranschreite, desto mehr warnt mich mein Inneres vor diesem Weg. Die weiten steilen Hänge über mit gefallen mir gar nicht, sie sehen seltsam aus: und plötzlich weiß ich auch warum! Die Form stimmt nicht! Es im Gebirge diese Dinge, die man wahrnimmt – oft nichtmals völlig bewusst –, die einen warnen, selbst wenn man sie nicht immer im Detail sofort beschreiben kann. Dazu gehören Formen und Konsistenzen des Schnees, das Gefühl, wie er sich verhält, wenn man darin fährt. Hier ist es die Geländeform der Hänge über mir, die mich immer wacher werden lässt. Mit jedem Meter deutlicher fällt mir das auf: die Form des Berges ist zu weich! Die Bilder, die ich von Babele aus von den Bergen von Sinaia geschossen habe, zeigen es auch deutlich, vor allem das, welches die steile Route hinauf zu dem Gipfel mit dem Sendemasten, der jetzt rechts oberhalb von mir liegt, zeigt. Es sind runden Formen eines vergletscherten Gipfels, die ich hier sehe, die typischen Gefälleverläufe fehlen, alles ist sanft abgerundet, konvex statt konkav, wie unter vielen Metern Eis begraben. Nur gibt es hier keinen Gletscher! War auf der Hochfläche der Schnee noch teilweise so abgeweht, dass die Grasnarbe herausschaute, liegt hier mit einem male meterweise Schnee: die gesamte Ostflanke des Berges ist ein gigantischer Triebschneehang!

Eine mulmige Beklemmung überkommt mich, als ich im Halbdunkel langsam Schritt für Schritt vorangehe. Wieso wurde mir diese Route empfohlen, diese verwehte Flanke soll sicherer sein als der direkte Weg über den Gipfel? Noch ist von der Route gequerte Hangpartie so flach, dass es zum Auslösen eines Brettes nicht reicht, aber sollte aus irgendeinem Grund der Hang oberhalb auslösen, dann gäbe das ein Schneebrett von einem infernalischem Ausmaß! Auf einer Länge von mehreren hundert Metern könnten die fast 150 Höhenmeter steiler Flankenpartie über mir abgehen und zu Tale donnern. Doch selbst wenn es nur ein Minischneebrett wäre: in wenigen Sekunden wäre ich über die Felskante links von mir gespült, hunderte Meter ins Tal hinab…. Tja, denke ich zynisch, das ist einer dieser Tage, wo Du Dir Deine gesamte Lawinenausrüstung genauso gut schenken kannst…

Zack!! Mein bergseitiger Ski rutscht weg, trifft gegen den linken Talsski, ich wanke, fange das Gewicht auf den Stöcken ab! Mein Herz schlägt bis zum Hals… In meinen Gedanken versunken, den düsteren bedrohlichen Hang über mir beobachtend, ist von mir unbemerkt die Spur beinahe ganz verschwunden. Nur noch minimal, gerade einen Ski breit, ist der flache Durchbruch im blanken Eis entlang der hohen Stahlpfosten, die den Weg weisen. Im letzten Dämmerlicht hatte ich dies nicht bemerkt. Und jetzt erst wird mrt klar, was das bedeutet: wenn nicht einmal die Felle auf dem Eis halten und die Stahlkanten mit den Fellen darüber ebenfalls nicht greifen, dann ist es nur noch der winzige Rest der vereisten Spur gewesen, der ein letztes Minimum an Halt geboten hat! Eine tiefe Angst packt mich, meine Hände beginnen zu zittern und für einen Augenblick wird mir fast schwindelig als ich beginne mich genauer umzusehen: der Hang hat ein Quergefälle von vielleicht 10° und wird nach unten schnell steiler, bis dann in ca. 50m Felsabbrüche folgen in die Schlucht hinab. Auf diesem Eis gibt es mit Sicherheit keinen Halt, wenn man erst einmal zu rutschen beginnt … Oh Gott, ohne auch nur darüber nachzudenken, was ich hier vorfinden werde, bin ich den gelben Schildern in den Hang gefolgt, der vermeintlich sicheren Route entlang ohne Fragen zu stellen. Jetzt endlich begreife ich, was ich die ganze Zeit hätte sehen sollen: [D a s hier ist die Alternativroute!

Immer noch pfeift der Sturm weit oben über den Grat, die schwarzen Wolken hetzen über das Firmament, ich zittere, und überlege was ich tun soll. Ich bin schon viel zu weit in diesem gottverdammten Hang, als dass ich hier sicher umdrehen könnte. So in etwa stelle ich mir das Gefühl vor, nach 50m zu entdecken, dass man in ein Minenfeld gelaufen ist… Vor allem will ich auf keinen Fall den einen Ski aus der verbleibenden Restspur nehmen. Etwa zwanzig Meter vor mir ist ein Absatz, der wieder etwas flacher ist, den gilt es zu erreichen. So gehe ich mit äußerster Vorsicht voran, jedesmal klamm, wenn der Bergski auf dem spurlosen blanken Eis für einen Augenblick allein das Gewicht tragen muss, sobald ich den Talski bewege. Ich passe peinlich genau auf, das Gewicht sauber gleichmäßig auf die Stöcke zu verteilen und keinen Fehler zu machen. Nur einen Millimeter weit entfernt scheint der Mt. Fort…

Nach einer gefühlten Ewigkeit erreiche ich schließlich das Flachstück, hier gibt es einen halbwegs sicheren Halt. Jetzt habe ich einen Moment Ruhe, nachzudenken. Ich muss in jedem Fall sofort die Felle abziehen! Das allein wird schon heikel, das An- und Abschnallen auf dem glatten Eis, auf nur einem Ski stehend… Einige Minuten äußerster Konzentration und Anspannung, dann sind beide Ski wieder unter den Füßen, der Puls geht ruhiger. Ohne die Felle greifen jetzt endlich die Stahlkanten der Ski, zumindest einfach abrutschen kann ich nun nicht mehr. Ich schaue nach vorn, es sind noch mal einige sehr ausgesetzte Meter der Flanke zu queren, dann folgt ein Taleinschnitt, die massiven Stahlträger der Markierung sind hier von früheren Lawinen weggefegt worden…

Ich überlege… es geht von nun an leicht bergab, die Passagen mit den Ski abzufahren, erscheint mir kein großes Problem zu sein, nicht gerade trivial, aber machbar. Der wirklich gefährliche, ausgesetzte Teil der Routen liegt hinter mir: Dorthin will ich nur äußerst ungern zurück! Bleibt das Problem der Lawinen… die Zeichen im Schnee sind deutlich zusehen, aber alt. Ich denke nach… die letzten Neuschneefälle müssen mehrere Wochen zurück liegen, wenn nicht gar über einen Monat. Die Schneedecke hatte Wärme erlebt und Regen, und ist dann wieder durchgefroren, das ist eigentlich nicht schlecht für die Stabilität. Aber auf diese laienhafte Analyse sein Leben verwetten?

Ich grübele weiter. Was ich nicht weiß: In Wirklichkeit ist es genau zehn Tage her, dass beinahe das gesamte Skigebiet von Sinaia per Gemeindeerlass zum Sperrgebiet erklärt wurde. Die ganze vordere Front, die Ostflanke, deren steilsten Teil ich gerade durchquere, gehörte dazu, Lawinenwarnstufe 5! Auch ist diese Route, die „Alternative“, der Sommerweg, der Winterweg geht – genau wegen der Lawinengefahr – direkt über den Gipfel. Doch das alles weiß ich nicht… so muss ich mich auf das verlassen, was mir tatsächlich bekannt ist. Der ganze Hang ist von einer extrem stabilen Eisschicht durchzogen. Diese ist so hart und trägt so gut, dass man keine Spuren hinterlässt. Die Kraft, die auf darunter liegende Schichten übertragen werden kann, ist also minimal. Gleichzeitig kann die Eisschicht enorme Kräfte übertragen, selbst wenn sich also partiell Ablösungen vom Untergrund ergeben sollten, könnte die Schicht so einiges aushalten. Auch passiere ich keine Hangpartien mit ausreichender Steilheit, solche liegen nur oberhalb, möglich wäre also nur eine Fernauslösung. Die Triebschneeablagerungen sind aber meterdick und mit dieser extrem tragfähigen Eisschicht überzogen: ich bin mir ziemlich sicher, dass man diesen Hang nicht auslösen kann. Ein kleiner, wenn auch kaum gültiger Beweis, mögen die Spuren meiner Vorgänger hier sein.Dazu kommt, dass wir den ganzen Tag über kein einziges Anzeichen für Instabilitäten entdeckt haben. Die Eisschicht war tragfähig, es gab keine Schwingungen, keine Geräusche, nichts dergleichen. Es waren nirgendwo Schneebretter zu sehen, nicht einmal ältere, keine der typischen Reaktionen des Untergrunds. Es kommt noch ein letzter Aspekt dazu: die wirklich gefährliche Passage ist nur vielleicht zwanzig oder dreißig Meter lang, am Boden eines Einschnitts unterhalb. Wenn ich zügig dort hineinfahre, erreiche ich schon nach wenigen Sekunden die sichere weite eben Fläche auf der Flanke dahinter.

So stoße ich mit den Stöcken hab, die Ski gewinnen an Fahrt, einige dennoch bange Sekunden, dann liegt die Schlüsselstelle hinter mir. Im Grätschschritt erklimme ich die letzten Meter der weiten Flanke jenseits, dann raste ich eine Sekunde. Etwa hundert Meter oberhalb sehe ich die Bergstation der Seilbahn von Sinaia, es ist sechs Uhr und beinahe völlig dunkel mittlerweile. Es ist klar, dass ich dort heute nicht mehr hinauf komme. Auch weiß ich nicht einmal, ob Kris wirklich dort oben wartet oder angesichts der nahen Dunkelheit vielleicht ebenfalls schon auf dem Weg nach unten ist. Ich habe ein ziemlich schlechtes Gewissen, dass ich den anderen Weg gegangen bin, aber das hilft mir jetzt auch nicht weiter. Es gibt nur einen Weg: so schnell wie möglich ins Tal abzufahren! Entweder wartet er bereits am Hotel, oder ich kann ihn von dort aus wenigstens anrufen.

So stürze ich mich in die steile Rinne vor mir, die als äußerste der schwarzen Routen von der Cota 2000 hinab führt. Was habe ich diesen Berg unterschätzt! Die Ostflanke bietet Routen, die so steil sind, dass sie mehr als alpin wirken, Pistenraupen kommen niemals hierher. Der Schnee ist immer noch höchst gefährlich, denn das Eis ist kaum weniger geworden. Ich wundere mich noch, dass kaum Spuren in der markierten Route sind – noch weiß ich nichts von der tagelangen Sperrung –, doch kommt mir das jetzt auch zu Gute, denn die wenigen vereisten Spuren, im Halbdunkel erst im letzten Moment, sind tückisch. Ds Gelände und die Steilheit beherrsche ich, mit den Stahlkanten im Eis fühle ich mich weit mehr in meinem Terrain als die ganzen letzten Minuten, die wie eine kleine Ewigkeit auf mich gewirkt haben. Doch darf all das über eines nicht hinwegtäuschen: ein Sturz hier in der steilen Eisrinne wäre tödlich!

So sehe ich zu, dass ich diese bei der ersten Gelegenheit nach Norden verlasse, bald quere ich die kuppelbare Vierersesselbahn, je weiter ich nach Norden komme, weg von den gefährlichen Hängen hinter mir, desto flacher wird das Gelände, auch wenn selbst hier die Routen auch nach alpinen Maßstäben zurecht schwarz markiert sind. Auch habe ich Sorge, dass ich den Abzweig zur Cota 1400 verpassen könnte, die ich mittlerweile einige hundert Meter unter mir sehe: eine Insel inmitten der unwegsamen Täler links und rechts. So fahre ich einen weiteren, mit Sträuchern bewachsenen Steilhang in der Falllinie hinab. Das erste mal seit langem fühle ich mich sicherer: der Hang läuft hundert Meter tiefer aus, das Unterholz könnte mich im Fall der Fälle halten.

Doch komme ich problemlos hinab, nach einer knappen Minute erreiche ich das flache Terrain und einen Ziehweg, der zurück nach Süden in Richtung Cota 1400 führt. Ich folge der Piste, an einer Engstelle begegne ich einer Pistenraupe, die so dicht an mir vorbeidonnert, dass ich von der Traverse in den darunterliegenden ausweichen muss. Die Abfahrt ist immer noch tückisch, ich kann kaum noch etwas erkennen und es gibt Buckel, Eisplatten, Steine und sonstige Hindernisse. Dann, endlich: die Lichter der Cota 1400m vor mir, die Bergstation des alten Schleppliftes rauscht vorbei, die letzten Meter schwinge ich hinab.

Als ich in den Ziehweg knapp oberhalb der Mittelstation einbiege, der die letzten 30m zurück zu unserem Hotel führt, höre ich ein aggressives Kläffen direkt hinter mir: drei große Hunde kommen auf mich zu gerannt. Verdammt! Mit Hunden hier ist nicht zu spaßen, Kris nennt sie „rumänische Alarmanlage“ und wir hatten schon sehr unschöne Erfahrungen am Abend zuvor damit gemacht. Ich schiebe mit den Stöcken so schnell ich kann, höre wie das Bellen hinter mir näher kommt, plötzlich schießt links von ein vierter Hund aus dem Gebüsch hervor, knapp hinter mir nimmt er die Verfolgung auf. Die Hunde sind wenige Meter hinter mir, ich habe fast das Gefühl, das macht ihnen Spaß und ihr Jagdinstinkt ist geweckt! Ich drehe mich um und brülle die Hunde an: das wirkt! Sie verstummen und bleiben stehen.

Kaum dass ich ich wieder nach vorn schaue, vernehme ich von dort ein leises bedrohliches Knurren: zwei große Wachhunde stehe etwa zehn Meter weiter auf dem Weg. Ich merke sofort, dass diese sich anders verhalten, ruhiger, aber wesentlich bedrohlicher. Ich schwinge zur Seite und in den Hang rechts von mir, von dem ich im Dunkeln kaum noch etwas sehe kann, zehn Meter unter mir liegt der Parkplatz des Hotels. Ich erreiche die Treppe, ohne dass mir die anderen Hunde gefolgt wären. Ich schnalle ab und will hinunter gehen, da sehe ich einen weiteren Hund am Fuße der Treppe, der mich anstarrt. Verdammter Mist, ich muss dort runter, denn sonst gibt es nur die Mauer, die zum Parkplatz hin zwei Meter senkrecht abfällt. Dabei muss ich aber direkt den Eingangsbereich des Restaurants passieren, zu dem dieser Hund gehört, das wird kritisch. Im Restaurant sehe ich eine Frau, ich bedeute ihr, auf den Hund zu achten. Sie schaut etwas verwundert, kommt aber dann heraus und geht zu dem Tier. Ich komme die Treppe herunter, freudig bellt der Hund und wedelt mit dem Schwanz: es ist ein Hütehund!

Ich lege die Ski auf den Parkplatz und gehe sofort in das Hotel. Meine Knie sind weich, die Anstrengung, die Anspannung dort oben, die letzte Episode mit den Hunden, ich komme an meine Grenzen. Ich frage an der Rezeption nach Kris. „He isn’t here, but he called and asked for you.“. Oh Gott, das darf nicht wahr sein, fast war ich sicher, dass er schon abgefahren ware. „Ok. When did he call?“. – „Ten past six.“. Gut, das war vor fünf Minuten. „Do you have a number, I need to call him urgently back!”. Die Dame an der Rezeption sucht ein wenig, “No, there is no number.” – Verdammt! Also gibt es nur eine Chance, mein Mobiltelephon! Blöd nur, dass ich es mangels Benutzbarkeit auf dem Zimmer gelassen habe und Kris den Schlüssel hat. „Ok, I need to get access to our room immediately, I need to call my friend and my mobile is in there.“.

Es dauert gute zehn Minuten, bis sich endlich jemand findet, der das Zimmer öffnen kann, ich schalte mein Telephon an und – welch Wunder – zum ersten mal seit Tagen funktioniert es! Ich wähle Kris‘ Nummer, es ist mittlerweile zwanzig nach sechs. „Hey, ich bin am Hotel unten, wo bist Du?“ – „Ich bin an der Bergstation. Ok, dann komm ich jetzt runter…“. Er klingt müde, aber doch erleichtert. „Ok, pass an der Talstation auf, hier gibt es einen Haufen ziemlich aggressive Hunde, die auf der Piste rumlaufen…“.

Ich warte draußen in Dunkelheit, lasse die heutigen Stunden Revue passieren… mein Körper zittert, ich spüre die Erschöpfung wie ein nahendes Fieber, vor allem aber wird mir klar, wie unschön dieser letzte Abschnitt dort oben war. Ich bin erschrocken, ich hätte nicht gedacht, dass ich es schaffen würde, mich in so eine Situation zu manoeuvrieren, einfach nur, weil ich nicht aufgepasst und nachgedacht habe, zu blind vertrauend auf das, was mir gesagt wurde… Gelbe Schilder, schwarz-gelbe Schilder, Hauptroute und Alternative … wie leicht so eine Verwechslung auf Seiten eines Fremden für einen selbst fatal sein kann… doch nicht das ist es, was mich zu unruhig macht. Es ist die Tatsache, dass mir langsam klar wird, wieviel Glück ich gehabt habe dort oben.

Und so bin ich sehr schweigsam und nachdenklich, als mir das Bellen in der Finsternis gegen sieben Uhr zeigt, dass auch Kris den Parkplatz, an dessen Ende ich warte, erreich hat….

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 Betreff des Beitrags: Re: ::: Carpathia [ -2010- ]
BeitragVerfasst: Sa, 13.03.2010, 22:20 
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Wow, das nenn ich Abenteuer. Da wird man ja schon beim Lesen nervös.

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 Betreff des Beitrags: Re: ::: Carpathia [ -2010- ]
BeitragVerfasst: Sa, 13.03.2010, 22:57 
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Großartig geschrieben. Das (nur zu verständliche) Fehlen von Bildern hat dazu geführt, dass ich mir beim Lesen eine ganz eigene Vorstellung machen konnte, sowohl in Bezug auf die tatsächliche Topographie als auch in Bezug auf die Atmosphäre. Der nachträgliche Blick auf Karten und Luftbilder hat dann bestätigt, dass meine eigene Vorstellung gar nicht so weit von der Realität entfernt war. Die letzten Bilder vermitteln auch die Atmosphäre mal wieder außergewöhnlich gut.

Jetzt beim Schreiben wird mir gerade bewusst, an was mich diese Situation entfernt erinnert: an eine Tour in Graubünden, bei der wir bei ähnlicher Wetterlage ebenfalls vor zwei alternativen Routen standen und aus Zeitgründen die offenbar einfachere wählten, die allerdings einen sehr steilen Hang enthielt, den wir nur dank der günstigen Lawinenlage in Angriff nehmen konnten und der sich dann doch etwas länger hinzog.

Jedenfalls ein sehr faszinierender Bericht, der besonders gut rüberbringt, wie eng im Gebirge Faszination und Gefahr zusammen liegen.


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 Betreff des Beitrags: Re: ::: Carpathia [ -2010- ]
BeitragVerfasst: So, 14.03.2010, 0:27 
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Damn, irgendwo glaubte ich nämlich ne Tendenz dieser Exkursion in eine absonderliche Richtung zu spüren als ich das Topic am 07. 03. unter Reportage Deluxe ergänzte...:shock:
Ich hoff nur inständig, daß das die letzte kritische Situation der Reise war.

Danke für diese überwältigenden Eindrücke und ich halt Euch weiterhin ganz fest die Bärentatzen.

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Grüße von Markus

Man muß im Leben für seine Erfahrungen bezahlen, wenn man Glück hat bekommt man manchmal Rabatt (Oskar Kokoschka)


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 Betreff des Beitrags: Re: ::: Carpathia [ -2010- ]
BeitragVerfasst: So, 14.03.2010, 10:43 
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Zitat:
Das ist vermutlich die entlegenste Liftanlage, die ich je gesehen hab,
Hm.... :wink:
Höchst spannend! Für mich doppelt interessant, weil ich ja das Gelände vom Sommer her kenne und Dir sogar an der fatalen Gabelung weiterhelfen hätte können (wobei auch der Aufstieg auf den Kamm bei den eisigen Verhältnissen nicht ganz einfach gewesen sein dürfte, ich würde die Anschaffung von Harscheisen empfehlen). Leichter ist der Weg weiter rechts zur Talstation der Sesselbahn mit den roten Stützen, das ist im Gelände nicht so ausgesetzt und der Aufstieg im Pistengelände ist leichter als über den Kamm. Ist Kris dann letztendlich von dieser Seite gekommen?
Ich denke übrigens, so oft wie in diesem Bericht hast Du das Wort "Hund" wohl noch nie geschrieben! :wink:
An der Mittelstation der Bahn leben offenbar ganzjährig einige halbwilde Hunde, die aber in der Regel keine Gefahr darstellen, ich denke, sie sind eher drauf aus, ihr Essen durch die Touristen aufzubessern (Ich meine damit nicht, dass sie die Touristen essen... :wink: ). Bei den Hunden, die mit einer Schafherde unterwegs sind, muss man übrigens zwei Typen unterscheiden: die wirklichen Hütehunde, deren Aufgabe es ist, die Schafe zu treiben und abtrünnige Tiere wieder auf den richtigen WEg zurückzuleiten, die sind nicht gefährlich, wohl aber die sogenannten HErdenschutzhunde, die sind meist größer, oft eher hell (in den Farben der Schafe, um nicht aufzufallen), und diese Hunde müssen die Schafe gegen Raubwild (Bären, etc.) verteidigen, sie sind gegenüber Fremden sehr misstrauisch und auf jeden Fall mit Vorsicht zu behandeln.
Hier noch der Link zu meinen Sommerbildern: klick

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 Betreff des Beitrags: Re: ::: Carpathia [ -2010- ]
BeitragVerfasst: So, 14.03.2010, 13:00 
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Puh, zuerst einmal tief Luft holen! Wenn ich solche Berichte lesen, kommt mir das Ganze Sicherheitstheater in westlichen Skigebieten auf einmal noch mehr wie Pipifax vor!

Die PB ist ja mal endlos genial, hoffentlich bleibt sie noch lange stehen. Vom Charakter her erinnert sie mich ein wenig an die Kraftwerkbahn zum Robieisee im Tessin. Mit der Geografie habe ich etwas Mühe. Sehe ich es richtig, die Bahn erschliesst den gleichen Bergzug wie die Bahn von Cota 1400 aus und ihr habt den Berg quasi von hinten her bezwungen?

Tante Edit bedankt sich bei Gerrit! Dank des in seinem Sommerbericht geposteten Plans ist mir die Lage nun klar.


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 Betreff des Beitrags: Re: ::: Carpathia [ -2010- ]
BeitragVerfasst: So, 14.03.2010, 14:32 
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Vielen Dank Euch allen! Hier noch mal ein paar Zusatzinformationen:

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Interessanter, älterer Pistenplan von Sinaia und Busteni, der die Situation gut wiedergibt.

@Matthias: Das ist interessant, da mit der Vorstellung vom Gelände, und ich habe auch versucht, eine Beschreibung zu finden, die eine entsprechende Vorstellung erzeugt, insofern freut es mich sehr, dass das Gelände offenbar tatsächlich plastisch wird.


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Hier sieht man den Blick auf die Furnica mit jenem Sattel davor. Man sieht, dass es nicht unlogisch erscheint, den Berg links im flacheren Gelände zu umgehen, anstatt die ebenfalls nicht ungefährliche Front hinaufzusteigen. Dass sich das Gelände links dann schnell ändert, sieht man nicht, obwohl man es vielleicht mit einigem Nachdenken hätte erahnen können.

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Hier eine gEarth-Aufnahme, in die ich die Ereignisse der letzten Minuten und meine Route eingetragen hab, ich denke man kann ein bisschen sehen, dass ein paar Stellen bei Vereisung nicht so lustig sind.... ;) ( ey ganz ehrlich, ich hatte lange schon nicht mehr so viel Sch... wie in dieser Passage da oben!!).

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Bild
Nochmal meien Bilder von der Furnica, die ich von Babele aus geschossen hab. Man sieht ziemlich gut, die seltsamen, gletscherhaften Schneeformen, die durch die massive Verwehung entstanden sind (neben den anderen typischen Windspuren). Vor allem die Geländeformen fallen auf: diese konkaven Hänge, die es eigentlich nicht gibt. In der Mitte unterhalb des Gipfels sieht man im Übrigen auch ein geradezu exemplarisch ausgegbildetes Triebschnee-Schneebrett. Die Anrisskante könnte klassischer nicht sein. Das ist auch das tückische an Triebschneelinsen: in der Mitte sind sie sehr dich, sprich große Kraftübertragung und viel Schnee -> Monsterbrett; am Rand sehr dünn -> leichte Auslösung)).

@Gerrit: Ja, Hunde hatten in dieser Episode auch tatsächlich eine ganz besondere Bedeutung! :) Und ich mochte die beiden auch sehr, vor allem den ersten. Der war ziemlich schlau und sehr liebenswert. "Hütehunde" verwende ich übrigens höchst laienhaft, ich habe eigentlich von Hunden keine Ahnung, bilde mir aber ein, dass man irgendwie friedfertigere und sanftere Hütehunde (wobei ich auf den Bildern von Herdenschutzhunden, die ich gefunden habe, diese nicht als nicht friedfertige Hunde erkannt hätte), und dann Jagdhunde und Wachhunde mit einem anderen Naturell. Die Hunde an der Mittelstation schienen mir alle zu den verschiedenen Etablissements zu gehören und diese zu bewachen, die ersten war aber in der Tat eher wie manchmal bei uns die Jungs inner Ubahn: Maul weit aufreißen und bellen, aber wenn Du einmal zuckst sofort erschrecken. Die anderen beiden Wachhunde aber waren anders: ganz ruhig, aber sehr unterschwellig aggressiv, so mit einem tiefen Knurren eher. Da war ich mir ziemlich sicher, dass die das nicht zum Spaß machen und nicht wollen, dass ich da über das Grundstück laufe.

Ja, stimmt schon, wir kennen da doch noch abgelegenere Lifte... ;) Ich schreibe das so aus der Einnerung, wie ich das empfunden hatte, und in dem Moment war ich sowas von überrascht, mitten am Ende der Welt diesen Lift zu sehen, dass ich es nicht glauben wollte. Wir sind es aus den Alpen heute (vor 30 jahren war das ja auch anders), dass Lifte nur noch in genau defienierten und beim Gemeindeamt in Plänen einsehbaren zugewiesenen Skigebieten stehen, dass man sich das gar nicht mehr vorstellen kann, dass ein paar Leute irgendwo hinter dem Haus einen Seillift aufstellen (wobei es das natürlich auch bei uns noch gibt, gerade Chasseral hat da ja auch immer tolle Berichte).

Kris ist tatsächlich in den Canyon reingefahren, der sich aber nach wenigen Metern wieder öffnete und zu einer weiten Ebene auslief. Von dort aus musste man noch ein weiteres kleines Tal queren und dann die lange Flanke im Tal der Sehnsucht aufsteigen, wo auch der rotlackierte Sessellift steht. Er müsste, den Bildern nach zu urteilen, um kurz nach Sechs oben an der Bergstation angekommen sein, hatte allerdings unterwegs auch schon einmal auf mich gewartet.

HAST DU EIGENTLICH NOCH MEHR SOMMERBILDER ?? Gerade aus dem Bereich Furnica würden die mich natürlich interessieren, aber auch sonst, jetzt da ich das Gelände kenne. Im übrigen habe ich jetzt noch mal ein paar weitere Winterbilder gesehen: Schigebiete und Tourengebiete dort oben sind genial, dann kann man locker eine Woche verbringen. Ich denke, dass ich da noch mal für länger hinfahren werde.

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 Betreff des Beitrags: Re: ::: Carpathia [ -2010- ]
BeitragVerfasst: So, 14.03.2010, 15:31 
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Ich hab noch jede Menge Sommerbilder von Sinaia/Busteni, soweit ich mich erinnere auch aus dem Bereich der Schlüsselstelle. Werd die Woche mal sehen und noch was in meinen Bericht hochladen. Das Laufstadion bei dem Berghotel ist übrigens noch gut in Schuss, machte einen etwas eigenartigen Eindruck in dieser Umgebung.
Interessant ist übrigens der Lift Nr. XII auf dem Panorama, das ist nämlich definitiv nicht der vermutete flache Übungslift, dem ich die Fundamente auf meinem Bild zugeordnet habe, "mein" Lift war in etwa dort lokaisiert, wo sich in dem Panorama die III findet.
Ich hätte angesichts Deiner Schilderung übrigens die Sturzgefahr auf dem eisigen Untergrund ohne Harscheisen wesentlich höher eingeschätzt als die Gefahr eines Schneebretts, da ja offenbar seit der Phase mit der massiven Lawinengefahr ein Tauwetter mit anschließendem Durchfrieren der Schneedecke stattgefunden hat. Auf solchen Hangquerungen kommt es aber immer wieder zu schweren Unfällen, wenn man versucht die Harscheisen zu spät anzulegen oder gar keine mithat. Wenn dann das "Zielgelände" in das man im Sturzfall abrutscht, felsig oder sonstwie gefährlich ist, dann kann das wirklich sehr übel ausgehen.
Übrigens: Bei unserem nächsten Treffen machen wir dann mal eine Stunde "Hundekunde"! :wink:

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 Betreff des Beitrags: Re: ::: Carpathia [ -2010- ]
BeitragVerfasst: So, 14.03.2010, 15:58 
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@Schneerbrett vs tödlicher Absturz: das sehe ich ebenso! Der Eishang hat mir wirklich Angst gemacht, weil ich ihn einfach viel zu lange viel zu sehr unterschätz habe. Man läuft da nett in der Spur und so 10°, vielleicht 15° Quergefälle sehen ja auch nicht gerade spektakulär aus. Aber auf Eis reicht das alle mal und da habe ich eben nicht dran gedacht.

Was die Schneebretter anging war ich mir sogar relativ sicher, sonst wäre ich sofort umgedreht, aber wenn erstmal in der Dämmerung bei so einem Wetter unterwegs ist, dann ändert sich auch die Psyche und es kommt dann auch immer drauf, was das für ein Gelände ist. Wenn ein Gelände mit kleinen Steilhängen und langen Ausläufen ist, dann kann man immer noch sagen: ok, w e n n was passiert, bin ich mal wenistens nicht sofort tot, sondern es gibt gewisse Chancen wieder ausgebuddelt zu werden. Bei so einem Hang ist das aber eine andere Nummer und dann fängt man schon an sich zu fragen: bist Du Dir auch WIRKLICH GANZ SICHER?? Und die Spuren im Schnee waren ja deutlich zu sehen, ich hab halt auch gedacht, also eigentlich kann nach so einer Entwicklung nicht mehr wirklcih was passieren und ich denke auch, dass das stimmt, aber na ja... und wenn man doch irgendwas vergessen / übersehen hat? Am Ende habe ich dann meinem Gefühl vertraut, wenn was mit dem Schnee nicht ok ist, merkt man meistens schon vorher irgendwas davon und hier war der hart wie Beton, insofern ging das dann. Vor dem Abstürzen hatte ich dann in der Tat doch deutlich mehr Angst, auch auf den Routen danach, weil das dort auch alles Eis war und irgendwie klar war, wenn man da estmal rutsch und womöglich einen Ski verliert.... (nicht umsonst stehen meine Bindungen seit Mt. Fort auch Z10 statt Z8).

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 Betreff des Beitrags: Re: ::: Carpathia [ -2010- ]
BeitragVerfasst: So, 14.03.2010, 17:23 
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Beeindruckend beklemmend. Und mal wieder fesselnd geschrieben.
Eine winziges Detail nicht beachtet oder ausreichend hinterfragt, eine schnelle Entscheidung und schon sitzt man "in der Falle".
In diesem Fall kam natürlich noch die Zeit- bzw. Dunkelheitsproblematik dazu. Sicher einer von vielen Gründen, warum Bergtouren zeitlich möglichst nicht in den Abend hinein geplant werden sollten, zumindest nicht, wenn man Verhältnisse und Route nicht genauestens kennt.
Dafür beschert uns das Licht wieder Phantastische Stimmungsaufnahmen von Dir - bequem ins geheizte Wohnzimmer.
Ich würde das mal unter "Sammeln alpiner Erfahrung" verbuchen.
Im Winter hatte ich solche Situationen mangels Unternehmungen in der Richtung bei Weitem noch nicht.
Manchmal bekommt man aber ja auch beim (natürlich nicht grundsätzlich vergleichbaren) Wandern vor Augen geführt, wie tückisch Details zur Routenwahl sein können und es kommt dieses Gefühl in einem auf.....
Insgesamt würde ich vermuten, dass die meisten erfahrenen Alpnisten solche oder ähnliche Grenzerfahrungen schon einmal gemacht haben.


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 Betreff des Beitrags: Re: ::: Carpathia [ -2010- ]
BeitragVerfasst: So, 14.03.2010, 17:48 
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RetroRebel

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Wobei - und diese Kritik muss erlaubt sein - Eure Trennung am späten Nachmittag in unbekanntem Gelände nicht unbedingt eine taktische Meisterleistung war, auch wenn sie uns eine spannende Geschichte und spektakuläre Bilder geliefert hat.
Was hat eigentlich Kris von seiner Aufstiegsroute erzählt bzw. gibt es von dort auch Bilder?

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 Betreff des Beitrags: Re: ::: Carpathia [ -2010- ]
BeitragVerfasst: So, 14.03.2010, 18:31 
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RetroRebel
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Die Trennung und der späte Aufbruch waren wohl die Hauptfehler - beides Dinge, die meiner Meinung nach schon ziemlich krass gegen elementare Verhaltensregeln im Gebirge verstossen. Wobei ich zugebe, dass es sehr leicht ist, sowas hinterher aus der warmen Stube heraus zu schreiben. Aber ein bisschen leichtsinnig fand ich's auch.
Jedenfalls zeigt der Bericht ganz gut, wie schnell eins zum anderen kommt und man dann plötzlich in einer gefährlichen Situation steckt, die man vielleicht hätte vermeiden können oder sogar müssen.
Andererseits gehören solche Dinge im Gebirge auch ein Stück weit dazu, vgl. auch der Abstieg vom 3A oder die vereiste Querung zur Treppe an der Punta Helbronner. Auch bei der Besteigung der Weißseespitze hatten wir eine ähnliche Situation, als plötzlich die Wegmarkierung verschwunden war.

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